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Die Eule von Askir

Die Eule von Askir

Titel: Die Eule von Askir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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kam der kühle Gedanke der Maestra als Antwort. Eine Welle von dunkelster Verzweiflung überrollte Melande, wie schon zuvor fühlte sie die Bollwerke ihres Geistes bröckeln. Doch diesmal war sie nicht allein, ein anderer Wille schob sich dazwischen, und beinahe erschien es ihr, als ob sie diese glitzernde Wand aus einem Willen so hart wie Diamant vor sich sehen würde.
    Plötzlich fühlte sie sich in die Luft erhoben, dann mit Macht nach hinten geworfen, aber der harte Aufprall an die Wand kam nicht, ein Luftstoß fuhr dazwischen und bremste sie ab. Ein schillerndes Band aus Farben floss von ihrer lächelnden Peinigerin zu Melande, versuchte sich um sie zu wickeln. Fast wäre es gelungen, und dort, wo das Band den Stoff des geliehenen Kleids berührte, wurde das Leinen braun und zerfiel zu Staub.
    Melandes Klinge zuckte vor und hoch und durchtrennte dieses schillernde Band. Aus ihrer freien Hand schoss ein Blitz wie der, der eben den anderen Verfluchten zu Boden geworfen hatte, doch die einzige Wirkung, die er jetzt hatte, war, dass bläuliche Funken in den Haaren der Gegnerin tanzten.
    Sie lachte lauthals. »So viel Spaß hatte ich schon lange nicht mehr, mein Kind!«, rief Melandes Peinigerin und tat einen Schritt nach vorn.
    Der nächste Schlag der Maestra wurde von einem schlanken Arm geblockt, als ob Fleisch gegen Stahl bestehen könnte. Eine schillernde Kugel schoss auf sie zu und verfehlte Melande nur knapp, als sie wie eine Katze zur Seite rollte. Hinter ihr schlug die Kugel in die Wand ein und hinterließ einen weißleuchtenden Punkt. Der Stein begann zu tropfen.
    Was folgte, war eisige Kälte, Dunkelheit, Verzweiflung und ein Donnerhall, dann merkte Melande, wie ihr die Luft genommen wurde, wie das Atmen ihr schwerer und schwerer fiel, bis ein neuer Donnerschlag die Gegnerin zurückwarf und die fahle Klinge beinahe ihr Ziel fand. Aber weil die Nekromantin sich zurückwarf, wurde nur ihr Ohrläppchen angeritzt.
    Ein Stoß mit der flachen Hand schleuderte Melande gegen die Wand, diesmal gab es nichts, das den Aufprall dämpfte. Fast schwanden ihr die Sinne, als plötzlich die Tür an ihrer Seite barst und ein Riese mit kahlem Kopf und einer gewaltigen Axt den Rest der Holzes zertrat.
    Viel schneller, als man es bei einem Mann dieser Größe vermuten könnte, stand er im Raum, seine Axt beschrieb einen Bogen, der die andere allein durch die Wucht seines Schlags zur Seite warf, auch wenn der scharfe Stahl nur einen Teil des kostbaren Kleids zerfetzte, das sie trug. Die bleiche Haut darunter blieb unverletzt, obwohl der Schlag sie hätte spalten müssen. Die Augen der Gegnerin weiteten sich, als sie den Riesen vor sich stehen sah. Erst war Unverständnis darin zu lesen, dann Unglaube und zum Schluss Angst. Im nächsten Moment war sie nicht mehr da, verschwunden, innerhalb eines Lidschlags war sie vor Melandes überraschten Augen verblasst.
    »Verfluchte Natter«, sagte der Riese mit Abscheu in der Stimme und wandte sich nun Melande zu. Ein breites Grinsen erschien auf diesem harten Gesicht. »Selbst in dieser Verkleidung erkenne ich dich an deinen Bewegungen«, meinte der Riese, und Melande hörte sich vor Erleichterung selbst lachen. Hunderte von Szenen flogen an ihrem geistigen Auge vorbei, Bilder, die nicht aus ihrer eigenen Erinnerung kamen: ein junges Mädchen, dem der Riese geduldig Buchstaben beibrachte… ein Mädchen, das zuhörte, wie der Riese mit traurigen Augen von ihrer verschwundenen Schwester sprach… Der Stahl fiel laut scheppernd aus ihrer kraftlosen Hand. Mit zitternden Fingern löste sie den breiten Schwertgurt und ließ ihn dort fallen, wo sie stand.
    »Er wird Euch in Sicherheit bringen«, hörte sie noch einmal die Stimme der Maestra, dann stand sie da, mit Gliedern, die brannten, als wären sie in Feuer getaucht, mit einem Schädel, der klopfte, als wäre ein Hämmerwerk darin errichtet worden, und glühenden Augen… Aber sie stand, und als der Riese sie in den Arm nahm, sagte sie nichts, sondern lehnte sich nur gegen seine breite Brust und weinte.
    Sie wurde herausgetragen und in eine Sänfte gelegt. Kurz bemerkte sie einen grinsenden, blonden drahtigen Mann, der sie an ein kleines Raubtier erinnerte, wie er mit einer Kiste unter dem Arm aus dem Haus herausspaziert kam. Dann meinte sie sogar für einen Moment den Baronet von Freise zu sehen, der in der Begleitung einer wunderschönen Frau auf der anderen Straßenseite stand und ihr höflich zunickte. Als diesmal das Dunkel kam, war es

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