Die Eule von Askir
Einzige, was mir noch einfällt, ist, dass der Kapitän wusste, was hier zu tun ist. Er hat alles ordnungsgemäß abgewickelt, sprach kaum ein Wort, hat sich nicht über die Liegegebühren beschwert, als ob er schon hundert Mal hier gewesen wäre. Aber das war er nicht.«
»Bei den vielen Schiffen, wie wollt Ihr das wissen?«, hatte Wiesel gefragt.
»Woher ich das wissen will? Ich bin selbst zur See gefahren und bin nun seit achtzehn Jahren der Hafenmeister hier. Es kommt einer Landratte wie Euch so vor, als lägen hier ständig neue Schiffe im Hafen, doch dem ist nicht so. Sie kommen immer wieder… bis sie untergehen, die Schiffe und die Kapitäne. Ich kenne alle Kapitäne, die Askir anlaufen, die meisten schon, seitdem sie Erster Maat oder Erster Offizier waren. Und die Kleidung und die Stiefel von dem da… Sie kommen von keinem Ort, von dem ich jemals gehört habe. Deshalb war es seltsam, dass der Kapitän sich hier so gut auskannte. Er fragte nicht einmal nach dem Weg zum Auktionshaus oder wer der Lademeister wäre. Er wusste das alles schon.«
Gut, dachte Wiesel jetzt, das war in der Tat seltsam. Seeleute tratschten gern und erzählten von der Überfahrt oder den Ungeheuern, die sie gesehen hatten. Wiesel konnte sich nur schwer einen Kapitän vorstellen, der so maulfaul war wie der Mann, den der Hafenmeister beschrieben hatte.
Und wenn das, was innerhalb der letzten fünf Tage auf den Märkten versteigert worden war, alles an Ladung war, das dieses Schiff trug, dann war es zu neun Zehnteln leer gefahren. Niemand unternahm eine lange Reise mit leerem Laderaum. Zu unsicher war die Gunst der Meere, zu riskant, und vor allem war ein solches Schiff zu teuer, um es auf eine Reise zu schicken, die nicht zumindest versprach, die Kosten zu decken.
Das größere Rätsel für Wiesel aber war die Ladung, die das Schiff nun trug. Es mochte fast leer angelegt haben, doch jetzt war das nicht mehr das Fall. Es lag so tief im Wasser, dass Wiesel sich fragte, ob es nicht schon überladen war. Aber er war ja kein Seemann. Wozu sollte ein Schiff solch eine lange Reise tun, um dann Ballaststeine und Reis zu laden? Reis, ja, aber Ballaststeine?
»Sie haben etwa zwei Drittel an Ballaststeinen geladen und ein Drittel Reis. Viel mehr an Reis haben sie auch nicht finden können. Es trieb den Preis dafür ganz schön in die Höhe«, hatte ihm der Mann in der Registratur uninteressiert mitgeteilt. »Sie können Reis und Stein kaufen, wie sie wollen. Uns ist es egal.«
Was war das für ein Handel, Erz zu liefern und Stein und Reis zu kaufen? Außerdem war Reis hier in Askir nicht günstig, ganz im Gegenteil, denn er kam aus dem fernen Xiang. Jeder Sack hatte eine lange Reise hinter sich und hatte Dutzende von Zöllen gekostet. Nein, es ergab nur wenig Sinn hier Reis zu kaufen!
Wiesel lehnte sich zurück und machte es sich auf dem Ballen etwas bequemer. Fast jeder, mit dem er bislang gesprochen hatte, war über das Schiff verwundert. Allgemein schien jedoch die Auffassung verbreitet, dass es zwar seltsam erschien, aber nicht ernsthaft von Interesse war. Jeden Tag legten hier im Hafen Dutzende von Schiffen an, das schwarze Schiff fiel zwar auf, aber letztlich kümmerte es keinen.
Es lag nur dick und fett im Hafen und beanspruchte einen Liegeplatz, der gewiss nicht billig war.
Und was hatte das alles mit den Wolfsköpfen zu tun, wegen denen der Kammerdiener sterben musste?
Wiesel stand auf, nickte den Marineinfanteristen, die zum dritten Mal vorbeikamen, höflich zu und ging davon. Seine Nase juckte, das war ein untrügliches Zeichen. Jenks hatte wohl recht gehabt. Mit dem Schiff stimmte etwas nicht. Vielleicht sollte er ihm bei Gelegenheit einen Besuch abstatten.
Aber wenn er eins von seiner früheren Partnerin gelernt hatte, dann war es, niemals unvorbereitet zu sein. Erst galt es mehr herauszufinden. Der Kapitän wurde an Land erwartet, in der Goldenen Rose. Das hatte Taride ihm berichtet. In gewissem Sinne war das Händlerviertel der Reichsstadt, in der dieses als teuer und gut bekannte Gasthaus lag, Wiesels zweite Heimat. Er kannte es wie seine Westentasche, viele der reichen Handelshäuser kannte er wahrscheinlich besser als der Hausherr. Irgendetwas würde er dort wohl sicherlich herausfinden können.
Er blieb mitten auf dem Hartmarkt stehen, denn jetzt war es sein Nacken, der kribbelte. Die Marineinfanteristen? Er schaute sich unauffällig um. Selbst inmitten der Menschenmassen, die sich durch die Gassen zwischen den
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