Die Eule von Askir
wollen, das solltest du dir in Zukunft zweimal überlegen! Verstanden?«
Bevor Wiesel antworten konnte, griff der andere Soldat seinen Kameraden beim Arm und zog ihn fort. »Lass ihn, er ist es nicht wert«, hörte Wiesel noch. Ein letzter wütender Blick, dann waren die beiden Soldaten in der Menge verschwunden.
Langsam richtete sich Wiesel auf, sah, wie man auf ihn zeigte und ihn neugierig, aber nicht mitleidig betrachtete. Dass ein junger Dieb die Gelegenheit nutzte, einem der Gaffer den Beutel aufzuschneiden, trug dennoch nicht zu Wiesels Erheiterung bei. Er sah sich um, die Sänfte war nirgendwo mehr zu erspähen. Wiesel hoffte nur, dass die Sera nichts von seiner Niederlage mitbekommen hatte, er kam sich bei dem Gedanken seltsam peinlich berührt vor. Seufzend klopfte er sich den Staub von seinen Kleidern, fluchte noch einmal leise, als er einen Riss in seinem neuen Wams bemerkte, und ging dann weiter, als ob ihn das alles nichts anging.
Götter! Wie konnte ihm nur so etwas Dummes geschehen!
Zwei Schritte weiter blieb er stehen.
»Oh«, sagte er, drehte sich um und ging dann seufzend zurück. Vor dem Ort, an dem der Händler ihn angerempelt hatte, stand ein Schrein des Boron, daneben ein Priester in der roten Robe seines Glaubens, der ihn mit gefurchter Stirn musterte.
Wiesel sah von dem Priester zu der kleinen Statue des Gottes. »Hilft es, wenn ich ihm sage, dass es ein Versehen war?«, fragte er zerknirscht.
Der Priester musterte ihn von oben bis unten. »Ser, es ist Euer schlechtes Gewissen, das Euch hierher führt. Das lässt darauf schließen, dass es vielleicht dieses eine Mal ungerecht war, was Euch widerfuhr. Aber Ihr selbst erkennt, dass das, was Euch eben hier zustieß, im Ganzen Eures Lebens seine Rechtfertigung findet.« Der Priester verbeugte sich leicht vor Wiesel. »Mein Gott würde es sicherlich begrüßen, wenn Ihr das, was Ihr getan habt, von Herzen bereut, aber das ist wohl kaum der Fall. Sonst ständet Ihr nicht hier und würdet diese Frage stellen.«
»Lernt ihr Priester das alles in der Tempelschule?«, fragte Wiesel säuerlich, als er in seinem Beutel nach zwei Silberstücken kramte, die er in die Opferschale fallen ließ.
»Nein, Ser. Aber wenn man ein Jahr lang an dieser Stelle steht und den Leuten zusieht, wie der Anblick des Gottes sie an ihre Verfehlungen erinnert, dann lernt man es.« Der Priester legte den Kopf zur Seite und lächelte leicht. »Wenn Ihr mir die Bemerkung erlaubt, es ist schon etwas dreist, direkt vor dem Schrein meines Herrn einen Mann um seinen Beutel zu erleichtern. Was mich wahrlich glauben lässt, dass es sich um ein Versehen handelte.« Er sah auf den Beutel in Wiesels Händen herab und hob vielsagend eine Augenbraue. »Weiterhin denke ich, dass eine Handlung, die ein solches Kunststück zu einem Versehen werden lässt, langer Übung bedarf.«
Seufzend ließ Wiesel zwei weitere Silberstücke in die Schale gleiten. »Würde Euer Gott mir verzeihen, wenn er weiß, dass ich heute auf dem Pfad der Rechtschaffenen wandle?«
»Ich denke, er hat Euch verziehen. Schließlich steht Ihr hier und werdet nicht gerade in Ketten abgeführt.«
Wiesel sah den Priester nur an und schüttelte dann ungläubig den Kopf. »Wie kommt es nur, dass ihr Priester immer auf alles eine Antwort zu haben glaubt?«
»Ich weiß nicht, Ser, vielleicht, weil Ihr nur meint, dass es so ist?«
Wiesel sah den Priester nur sprachlos an.
Der lächelte und zeigte strahlend weiße Zähne. »Seid bedankt für Eure Spende und gesegnet im Namen Borons, auf dass die Tugend Eure Schritte lenken wird.«
Wiesel öffnete den Mund, überlegte es sich dann doch anders, verstaute seinen Beutel und ging kopfschüttelnd davon. Ein paar Schritte weiter lachte er leise. Wenn ihn seine Erinnerung nicht täuschte, war dies das erste Mal in seinem Leben, dass er Borons Segen empfangen hatte. Hm, dachte er amüsiert, immerhin ist es ja auch wahr, ich wandle auf dem Pfad der Tugend, wenigstens im Moment.
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Die Jagdboote waren die Arbeitstiere der Seeschlangen, schlanke flache Schiffe mit hohen Bordwänden, einem scharfen Kiel, einer Messingramme und einer kleinen Balliste im flachen Frontkastell. Sie waren dazu gedacht, innerhalb des Hafens oder in flachen Gewässern zu operieren. Mit dreißig Rudern waren sie schneller als jedes bekannte Schiff, und sollte jemals ein feindliches Schiff die Dreistigkeit besitzen, in den Hafen einzulaufen, erginge es ihm wie einem Bären, der von einem
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