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Die Eule von Askir

Die Eule von Askir

Titel: Die Eule von Askir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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glauben konnte oder nicht. Zumindest in Askir waren sie niemals auf der Straße zu sehen. Wenn eine von ihnen die prächtigen Gärten der Botschaft verließ, dann in einer solchen Sänfte und vor ungebührlichen Blicken durch dichte Seidenvorhänge geschützt. Wiesel juckte es schon seit Jahren in den Fingern, der Botschaft mal einen längeren Besuch abzustatten. Doch er wäre nicht so alt geworden, wenn er nicht auch vernünftig wäre. So exotisch die Botschaft von Xiang auch anzusehen war, sie war auch, nach der Zitadelle des Ewigen Herrschers, der am besten geschützte Ort in ganz Askir.
    Nur einmal war es ihm gelungen, einen Blick über die hohen Mauern zu werfen. Er konnte bestätigen, dass die Gärten tatsächlich so prächtig waren, wie behauptet wurde. Und auch, dass die Frauen wohl wirklich zierlich sein mussten, denn er hatte eine junge Frau in den Gärten gesehen, die prächtige Seidengewänder trug, mit einer breiten Schärpe um die Taille, die ihm schmal genug erschien, um sie mit seinen Händen umfassen zu können. Die Frauen rasierten ihre Köpfe nicht, der Wasserfall aus schwarzem Haar war ihm noch gut in Erinnerung. Was Wiesel auch noch gut in Erinnerung geblieben war, war das Gefühl von kaltem Stahl, der in seine Schulter eindrang. Es war keine der Wachen, die er mit viel Mühe hatte umgehen können, es war die Frau im Garten selbst, die, scheinbar ohne hinzusehen, den Dolch nach ihm geworfen hatte.
    Wiesel besaß ihn noch immer, ein wunderschön gearbeitetes Stück aus poliertem, mit Gravuren versehenem Stahl und einem schwarzen Hartholzgriff, der hervorragend ausbalanciert war. In gewissem Sinne hatte sich sein Besuch doch gelohnt, denn ein solcher Dolch war ein Vermögen wert. Er trug ihn jetzt in einer Scheide zwischen seinen Schulterblättern, sein ganz persönlicher Glücksbringer.
    Wiesel erlaubte sich ein leichtes Lächeln, als er der unsichtbaren Sera innerhalb der Sänfte eine leichte Verbeugung andeutete. Was die Botschaft an Reichtümern zu bergen schien, interessierte ihn mittlerweile weitaus weniger als die zierliche Gestalt, die ihn so treffsicher beinahe von der hohen Mauer der Botschaft geholt hätte. Vielleicht, so dachte er mit einem Schmunzeln, war es sogar die gleiche Sera, die er in seinen Träumen schon oft in ihrem prächtigen Garten besucht hatte.
    Das Poltern von schweren Wagenrädern veranlasste Wiesel, zur Seite zu schauen. Er wich dem Lastkarren aus und wurde von einem Händler angerempelt, der ihn hochnäsig ansah und einen Trampel nannte, bevor er schnaubend davonstapfte.
    Fast schon überrascht sah Wiesel auf seine Hand herab, die, für alle Umstehenden deutlich sichtbar, einen bestickten Lederbeutel hielt. Er war so in Gedanken versunken gewesen, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie er den Händler erleichtert hatte. Götter, dachte Wiesel, nicht das!
    »Hallo, Ihr da!«, rief er hastig dem Händler hinterher. »Ihr habt Euren Beutel verloren.«
    Der Händler zuckte zusammen, griff sich schreckhaft an seinen Gürtel – nun, dieser Beutel war noch da –, dann an seine Brust, wo er seine Goldstücke sicher geglaubt hatte. Wie ein Walross schnaubend eilte er zu Wiesel zurück, riss ihm fast den Beutel aus der Hand, um wütend davonzugehen. Kein Wort des Danks, dachte Wiesel kopfschüttelnd. Wie unhöflich.
    Er spürte eine harte Hand auf seiner Schulter und schaute sich um, ein Marineinfanterist stand da und sah ihn finster an.
    »Habt Ihr nicht gesehen, dass er seinen Beutel verloren hat?«, sagte Wiesel eilig und verfluchte seine flinken Hände und alten Gewohnheiten. »Ich habe ihn eben zurückgegeben! Ihr müsst das doch gesehen haben!«
    »Habe ich«, antwortete der Marineinfanterist grollend. »Uns ist klar, dass du weißt, dass wir dich beobachtet haben. Ich weiß nicht, wie du es gemacht hast, aber ich bin nicht erfreut darüber, dass du uns hier so vorführst.«
    »Aber…«, begann Wiesel, doch bevor er mehr sagen konnte, rammte ihm der andere Marinesoldat eine stahlharte Faust in den Magen. Keuchend brach Wiesel zusammen und bekam noch einen harten Tritt auf seine Arme, als der Soldat nachlegte.
    »Wenn es nach mir ginge, würde ich dir meinen Beutel zustecken und dich verhaften«, fuhr die andere Seeschlange drohend fort. »Leider ist mein Beutel so leer, dass uns das keiner glauben würde.« Er beugte sich zu Wiesel herunter und hielt ihm die Faust vor die Nase. »Schlimm genug, dass wir dich nicht kriegen, aber uns vor allen lächerlich machen zu

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