Die Eule von Askir
anderes geachtet. So war es für Desina auch nicht verwunderlich, dass es aussah, als ob die meisten Seeschlangen hier im Hof der Hafenwacht nur herumlungerten.
Zentrum der Aufmerksamkeit war ein Zweikampf zwischen einem bulligen Mann und einer eher zierlich wirkenden schlanken jungen Frau. Sie war mit einem Rapier bewaffnet, er mit zwei Enteräxten. Beide Kämpfer trugen keine Rüstungen, nur die lindgrüne Uniform ohne erkennbare Rangabzeichen.
Desinas Anblick lenkte die Konzentration des Kämpfers ab, und wie eine Natter schoss die Spitze des Rapiers vor, hielt am Hals des Soldaten inne und forderte dort einen kleinen Blutzoll.
»Bei Borons Bart!«, fluchte der Soldat und warf angewidert seine Äxte zur Seite. Buschige Brauen zogen sich über seinen stahlgrauen Augen zusammen, als die junge Frau lachte und ihr Rapier in der Scheide versinken ließ. »Nun, Landar, es war ein guter Versuch.«
»Von wegen Versuch! Ein Rapier ist keine Waffe gegen Äxte. Ich war abgelenkt!«
Die Frau wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn, und ein Riss in ihrem linken Ärmel, knapp über dem Ellenbogen, gab den Blick auf eine frische, fast fingerlange blutende Wunde frei.
Sie wandte sich Desina und Tarkan zu, als der Schwertsergeant vor der Frau salutierte.
»Ser, Schwertmajor Rikin, Desina, Maestra des Turms und Stabsleutnant Santer für Euch, Ser!«
»Danke, Sergeant«, antwortete die Schwertmajorin und musterte die Neuankömmlinge aufmerksam.
»Netter Kampf«, meinte Santer. Er zwinkerte Landar, dem Axtkämpfer, zu. »Du solltest dich schämen, dass du dich so von einer Frau hast vorführen lassen.«
»Sie ist keine Frau«, gab Landar zurück, der zuerst eher erzürnt gewirkt hatte, aber nun deutlich erheitert war. »Sie ist eine Seeschlange. Eine Natter. Ein gefährliches Reptil, das einem Mann in die Eier beißt, wenn er nicht aufpasst.«
Sein Kommentar löste weitum Gelächter aus, auch die Mundwinkel der Schwertmajorin zuckten. Sie sah zu Desina hinüber. »Genug gescherzt. Was kann ich für Euch tun, Maestra?«
»Mir wurde zugetragen, dass die Schwester eines Eurer Lanzenkorporale verschwunden ist. Ich will versuchen, die Frau ausfindig zu machen.«
Rikin nickte. »Karjan, ja. Er wird froh sein, zu hören, dass Ihr Euch des Falls annehmt.« Sie blickte zu dem Sergeanten von der Torwache, der immer noch bei ihnen stand. »Sergeant, habt Ihr ihn benachrichtigen lassen, dass die Eule anwesend ist?«
Der Sergeant nickte. »Ja, Sera. Ich bin überrascht, dass er noch nicht hier ist.«
Rikin nickte und sah sich suchend um. Offensichtlich war der Mann nicht zu sehen, denn sie wandte sich wieder Desina zu. »Das ist in der Tat überraschend«, teilte sie ihr mit. »In den letzten zwei Tagen gab es für ihn nichts anderes als die Suche nach seiner Schwester.« Feine Falten entstanden auf ihrer Stirn. »Karjan ist beliebt und seine Schwester auch. Ich muss Euch sagen, dass wir das Schlimmste befürchten. Es sieht Marja, so heißt die junge Frau, einfach nicht ähnlich. Sie arbeitet hier auch manchmal als Wäscherin und ist im Allgemeinen sehr zuverlässig.«
Bevor Desina etwas erwidern konnte, trat ein anderer Soldat vor sie und salutierte. »Maestra, Sers! Lanzenkorporal Karjan ist nicht aufzufinden. Der Barackensergeant teilte mir mit, dass er nach dem Dienst nur kurz hereinkam, um sich umzukleiden. Er muss dann die Hafenwacht verlassen haben.«
»Danke, Soldat. Ist etwas darüber bekannt, ob er allein ging oder von Kameraden begleitet wurde?«
»So wie ich es verstand, ging er allein, Sera. Er teilte dem Sergeanten mit, dass er weiter seine Schwester suchen wolle und zur Abendglocke wieder zurück wäre.«
»Danke, Soldat«. Der Mann salutierte kurz, und er und der Sergeant kehrten zu ihrem Posten am Tor zurück.
»Dann benötige ich Zugang zu seiner Seekiste«, teilte Desina der Majorin mit.
Die nickte nur und bedeutete ihnen, ihr zu folgen.
»Das ist sein Bett«, teilte Rikin Desina mit, als sie in der Baracke angekommen waren, in der die Mannschaften untergebracht waren. Desina nickte und kniete sich vor die Kiste am Fußende des einfachen Betts. Sie war verschlossen. Ohne darüber nachzudenken, zog sie eine Haarnadel aus ihrem Haar, bog sie um, und einen Moment später sprang das einfache Schloss der Kiste auf. Mit einer unauffälligen Geste strich sie die Haarnadel gerade, steckte sie zurück in ihr Haar und öffnete die Kiste.
Ganz oben, sorgsam auf einen gefalteten Umhang gebettet,
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