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Die Eule von Askir

Die Eule von Askir

Titel: Die Eule von Askir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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dem zugenagelten Fenster, fand sich aber auf mysteriöse Weise zugleich in einer fernen Turmkammer wieder. Feine Seidenvorhänge wehten dort in einem lauen Wind. Der, den er suchte, stand auf dem Balkon und schaute hinaus in die Nacht, ein feingeschliffenes Glas aus dünnstem Kristall in seiner Hand. Er bemerkte die Anwesenheit des anderen, drehte sich gemächlich um und nahm einen Schluck von seinem Wein. Dunkle Augen musterten die durchscheinende Gestalt vor ihm nachdenklich.
    »Feltor? Was führt Euch her? Ich hoffe, Ihr bringt gute Kunde.«
    »Nein, Herr. Es gibt… Schwierigkeiten.«
    Eine feine Augenbraue hob sich fragend. »Schwierigkeiten? Ihr wisst, das höre ich nicht gern. Schwierigkeiten welcher Art?«
    »Eine Eule hat den Ort am Hafen gefunden, Herr.«
    Die Hand, die gerade das Glas an die feingeschwungenen Lippen führen wollte, erstarrte, und das Gefäß zerbarst in der schlanken Hand, die sich zu einer Faust ballte und dann wieder entspannte. Fast nachlässig zog der Mann mit der anderen Hand einen Glassplitter aus seiner Handfläche und betrachtete nachdenklich, wie sich die Wunde schloss. »Es gibt in Askir keine Eulen mehr«, stellte er fest.
    »Und dennoch ist da eine. Sie folgte der Form des Suchens. Trotz des Wassers, trotz der Siegel, die es hätten verhindern müssen…«
    »Sie?« Die feingezeichneten Gesichtszüge entspannten sich ein wenig. »Es ist kein Mann?«
    »Nein, Herr. Es ist eine junge Frau. Sie ist schon lange im Turm und durchforstet die alten Texte dort. Ich hatte Euch von ihr berichtet. Jetzt hat sie wohl die Prüfung bestanden und trägt die blaue Robe. Eine Gefahr ist sie nicht, aber sie hat den Ort gefunden…«
    »Das war unachtsam von Euch.«
    »Ja, Herr.«
    »Hm«, sagte der junge Mann nachdenklich. »Wie konnte sie dem Fanal entgehen?«
    »Ich weiß es nicht, Herr. Es…«
    »Feltor?«
    »Ja, Herr?«
    »Es war keine Frage an Euch.«
    »Ja, Herr. Verzeiht, Herr.«
    Einen Moment schwieg der junge Mann, dann ging er hinüber zur Anrichte und füllte ein neues Glas mit dem süßen Wein und trank. Eine feine Falte erschien auf seiner makellosen Stirn, dann verschwand sie wieder. »Ist das Schiff angekommen?«, fragte er.
    »Ja, Herr.«
    »Nun«, sagte er und lächelte, ein wenig nur. »Dann brauchen wir den Ort nicht mehr. Es macht kaum einen Unterschied.«
    »Ja, Herr.«
    »Gut. Ihr könnt Euch entfernen… Und, Feltor? Seht zu, dass die Maestra Euch nicht zu nahe kommt. Und gebt unseren Freunden etwas zu tun. Sie hassen so leidenschaftlich, gebt Ihnen ein Ziel für ihre Verblendung.«
    »Wie Ihr es wünscht, Herr.«
    Die durchscheinende Gestalt verbeugte sich tief und verschwand, um weit entfernt an jenem anderen Ort keuchend auf die Knie zu fallen. Die Distanz war zu groß, die Kraft, die es Feltor kostete, gewaltig.
    »Verdammte Eule«, keuchte er, als er sich mühsam aufrichtete. Er lehnte sich an die Wand und wartete, bis der Schmerz ihn verlassen hatte. Er sah sich um, musterte noch einmal prüfend das Wirken seiner Macht, erst dann erlaubte er sich ein kaltes Lächeln. Sein Umhang wehte, dann schien es, als ob Feltor sich in Rauch verwandelte und verging.
     
     
    Eine Weile später trat Balthasar aus den Schatten des alten Stadtpalasts und sah sich langsam um. »Keinen Körper zu haben, hat auch einen Vorteil. Es kann einem dann auch nicht schlecht werden«, stellte er bitter fest. »So sieht also das Übel aus, wenn man nicht verblendet ist.« Er schaute dorthin, wo Feltor verschwunden war.
    »So, hast du deinem Herrn Bericht erstattet, ja?« Seine Fäuste ballten sich. »Wenn sie dein Werk sieht, Feltor, wird sie dich und deinen Herrn bis ans Ende der Welt jagen. Und sie wird dabei nicht allein sein, das schwöre ich dir!«
    Ein letzter Blick, dann verschwand der geisterhafte Maestro so leise, wie er gekommen war.

 
    25
     
     
     
    Als das Boot die Mole der Hafenwacht erreichte und dort auf die Schräge auflief, hörten sie schon Regatas Schrei, als sie oben auf dem Kai in die Knie brach und bitterlich zu weinen anfing. Desina war die Erste, die das Boot verließ, dicht gefolgt von Santer, dessen Gesicht einer steinernen Maske glich, und der Majorin, die anfing Befehle zu erteilen, noch bevor sie festen Boden unter den Füßen hatte.
    Desina zog ihre Ziehschwester an sich, die hemmungslos schluchzte. Gemeinsam sahen sie zu, wie die Soldaten den Toten aus dem Boot bargen. Karjan und seine Schwester wurden in das Innere der Garnison gebracht und dort im

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