Die Eule von Askir
Krankenlager aufgebahrt. Gemeinsam folgten Regata und Desina ihnen. Langsam löste sich Regata von ihrer Ziehschwester und betrat den kleinen Raum, Desina folgte ihr. Einer der Soldaten wollte Regata zum Gehen bewegen, aber Desinas Kopfschütteln ließ ihn zurücktreten. Eine weitere Geste der Maestra leerte den Raum bis auf Regata und Desina selbst.
Regata trat an den Toten heran, strich ihm sanft über das nasse Haar, beugte sich über ihn und gab ihm einen Kuss auf die kalte Stirn. Dann richtete sie sich auf und sah Desina mit vorwurfsvollen, tränenfeuchten Augen an. »Warum hast du ihn nicht gerettet?«, fragte sie. »Du bist doch eine Eule. Du hättest es doch tun können!«
»Regata«, antwortete Desina sanft. »Er war schon tot, als du zu mir kamst. Marja auch… Sie starben beide etwa vor vier Kerzenlängen. Es scheint, als habe er sie gefunden. Er war aber nicht imstande, sie zu retten.«
Regata sah sie verständnislos an. »Aber er hatte doch heute die erste Wache. Er wollte sich schlafen legen und dann… Ich habe ihm doch gesagt, dass ich zu dir gehen würde!«
»Es tut mir leid«, antwortete Desina und griff nach den Händen ihrer Schwester. »Ich verspreche dir, dass wir den Mörder finden werden.«
Einen kurzen Moment lang drückte Regata die Hände ihrer Schwester so fest, dass Desina fast um ihre Knochen fürchtete, dann ließ Regata sie los und trat an den Leichnam ihres Verlobten heran. Sie nahm seine klamme Hand.
»Ich kenne dich ja«, sagte sie zu Desina, während ihr noch Tränen die Wangen herabliefen. »Du hältst immer deine Versprechen. Aber sag mir… Was wird mir das nützen? Hast du schon einmal geliebt, Schwester? Kannst du verstehen, was ich gerade fühle? Wie mein eigenes Herz gerade zerreißen will?«
Desina schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht«, antwortete sie. Sie machte einen Schritt auf Regata zu, doch diese hob abwehrend die Hand.
»Nein, nicht«, sagte sie. »Du konntest ihn nicht retten, und mich kann niemand trösten. Tu das, was du kannst: Richte seinen Mörder.«
Sie kniete sich neben den Toten, drückte ihre Wange gegen seine kalte Hand und senkte den Kopf. Ihre Schultern bebten.
Desina spürte Santer an ihrem Arm, der sie leicht in Richtung Tür zog. Sie folgte ihm. Er schloss die Tür hinter ihnen und musterte Desina. »Wie geht es Euch?«, fragte er leise. »Ihr seht mitgenommen aus.«
»Woher wollt Ihr das wissen?«, fragte Desina bitter. »Könnt Ihr durch meine Kapuze blicken?«
»So schwer ist es nicht«, antwortete der Stabsleutnant leise. »Es wird leichter, je länger man Euch kennt.« Jetzt war er es, der nach ihren behandschuhten Händen griff. »Ihr könnt mir vertrauen, Maestra.«
»Das weiß ich, Santer«, sagte sie mit einem müden Lächeln.
Er schaute an ihr vorbei, sie wandte sich um und sah sich Schwertmajorin Rikin gegenüber, die nun vollständig gerüstet war.
»Wir sind so weit, Maestra«, teilte ihr die Majorin mit. »Ein Schwertschiff und zwei Jagdboote werden vom Wasser aus das Gebiet absperren, vier Tenets stehen bereit, den Bereich abzusichern und die Durchsuchung zu beginnen.«
Desina warf der geschlossenen Tür zum Krankenlager noch einen letzten Blick zu und nickte. Die Majorin bemerkte den Blick. »Die Tempel wurden benachrichtigt, die Priester werden bald eintreffen. Habt Ihr noch eine Nachricht für sie?«
Desina überlegte kurz. »Sie sollen auf mich warten, wenn es ihnen möglich ist.« Sie straffte ihre Schultern. »Schauen wir, ob wir etwas finden können. Schwertmajor…«
»Ja?«
»Schärft Euren Leuten ein, Gruppen zu bilden. Immer mindestens drei Mann, einer davon mit einer Armbrust bewaffnet. Niemand soll einzeln vorgehen.«
Die Schwertmajorin nickte. »Es wird geschehen.«
»Haltet Ihr den Mörder für so gefährlich?«, fragte Santer etwas später, als sie zusahen, wie die Marinesoldaten um die alten Pfahlgebäude herum Stellung bezogen. Der Stabsleutnant hatte einen großen Schild mitgebracht, den er bereithielt, um die Maestra zu schützen, sollte etwas Unvorhergesehenes geschehen.
Die Tür der Taverne zum Schiefen Mast sprang auf, eine Gruppe zwielichtiger Gestalten versuchte den Ausbruch, noch bevor sich der Ring um die Gebäude ganz geschlossen hatte. Passanten wichen erschreckt zurück, einer der Flüchtenden griff einen der Marinesoldaten sogar mit einem Langmesser an, wurde jedoch schnell überwältigt.
Desina sah nur kurz hin, dies war ein Geplänkel. Nach einem Taschendieb suchten
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