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Die Eule von Askir

Die Eule von Askir

Titel: Die Eule von Askir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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seine zwei Handlanger schienen ungebrochen.
    »Ich führe ein ehrliches Haus«, protestierte der Wirt. »Ihr werdet hier keine Kontrabande finden.« Er funkelte den bewusstlosen Joakin an. »Den hier kenne ich nicht, er ist kein Freund von mir, nur ein Gast. Ich bin nicht verantwortlich für meine Gäste.«
    Desina ignorierte ihn. Sie trat vor die Gefangenen und musterte sie der Reihe nach, der Blick des Wirts war nachgerade hasserfüllt. Desina wusste nur zu gut, wie man sich fühlte, wenn einen die Seeschlangen im Griff hatten.
    »Wer von euch ist erst während der letzten zwei Kerzen hier eingetroffen?«, fragte sie, und gut zwei Drittel der Gäste, darunter auch der Seemann, der soeben protestiert hatte, sahen hoffnungsvoll zu ihr auf und gaben an, erst vor kurzem eingetroffen zu sein.
    »Lügt einer von ihnen?«, fragte Desina die restlichen Gefangenen.
    »Der hier lügt«, spuckte einer der Männer verächtlich aus. »Er war schon hier, als ich ankam.«
    »Du lügst!«, protestierte der andere. Der erste lachte bitter. »Du warst schon immer eine feige Ratte.« Bevor es weiter eskalierte, gab Rikin den Soldaten ein Zeichen und ließ die Gäste herausbringen, die erst kurz hier verweilt hatten.
    Sie würden befragt werden, ob ihnen etwas aufgefallen war. Desina ging nicht davon aus. Egal wie schlecht der Ruf der Taverne war, es war nicht zu erwarten, dass die Morde vor den Augen aller Gäste stattgefunden hatten. Es blieben, neben dem Wirt und seinen zwei Schlägern, zwei weitere männliche Gäste und die drei Schankmägde, die immer ängstlicher schauten. Und dieser Joakin.
    Desina sah zu Rikin. »Die hier schafft zur Hafenwacht«, wies sie die Majorin an. »Bis auf die Mädchen bringt ihr sie besser getrennt voneinander unter.« Sie beugte sich zu dem Wirt hinab, der sie immer noch hasserfüllt ansah. So nahe, wie er nun war, spürte sie seine Wut, die Angst… und die Hoffnung. Er erwartete tatsächlich, dass er ungeschoren davonkommen würde. Sie sah dem Mann durch den Schleier ihrer Kapuze tief in die Augen und versuchte zu fühlen, was er verbarg. Ja, der Mann war sich sicher, dass man ihm nichts nachweisen konnte. Das Gefühl war so deutlich, dass es daran keinen Zweifel gab. Und dennoch wusste er etwas, wusste, weshalb eine Eule vor ihm stand. Er wusste, was hier geschehen war, und war sich dennoch sicher, nicht belangt zu werden.
    »Du heißt Brokan, nicht wahr?«, flüsterte Desina und gab ihrer Stimme einen fernen Widerhall, bei dem sich die Augen des Wirts weiteten. Sie erinnerte sich schemenhaft daran, den Namen einmal gehört zu haben, es war nicht der Name, unter dem er damals bekannt war… und sie spürte, wie ihn jetzt die Angst ergriff… nicht vor dem, was heute geschehen war, sondern vor etwas anderem, das lange zurücklag und das er vergessen glaubte.
    Sie suchte in ihrer Erinnerung. Es gab da etwas, das sie gehört hatte, als sie noch ein Kind gewesen war. Sie fand es. Eine Unterhaltung zwischen zwei Mordgesellen, die sie vor vielen Jahren unweit von hier belauscht hatte, als sie zitternd zwischen Baumwollballen verborgen lag. Es war der erste Mord, dessen Zeuge sie wurde. Es kam alles wieder, sie sah erneut, wie die beiden Männer die Tote über den Rand des Kais in das Hafenbecken warfen, wie der eine lachte und sagte, dass er nun sicher wäre, dass ihn nach dem Tod der Hausmagd niemand mehr mit dem Mord an der Tochter des Gildenmeisters in Verbindung bringen könnte.
    Ein hartes Lächeln spielte um Desinas Lippen.
    »Meister Oldin wird erfreut sein, dass wir den Mörder seiner Tochter nun doch gefasst haben.«
    Der Wirt wurde bleich, stieß einen unartikulierten Schrei aus und versuchte sie mit der Stirn zu rammen. Einer der Soldaten wollte ihn zurückreißen, aber es war nicht nötig, Desina wich dem Stoß ohne Mühe aus. Im nächsten Moment hatte ihn Santer mit einer Hand bei den Fesseln gepackt und hochgehoben.
    »Wir werden uns gut unterhalten, du und ich«, teilte sie ihm mit dem gleichen harten Lächeln mit und richtete sich dann wieder auf. Sie ignorierte Santers nachdenklichen Blick und die Flüche des Wirts, der in Santers harten Händen baumelte, bevor der ihn wortlos an zwei Seeschlangen weiterreichte.
    »Schafft sie weg!«, ordnete Rikin an.
    Unsanft wurden die Gefangen nach draußen gebracht, während sich Desina mit gerümpfter Nase in dem dunklen Gastraum umsah. Es stank erbärmlich nach Bier, saurem Wein und anderen unangenehmen Gerüchen. Die Tische waren verdreckt, die

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