Die Eule von Askir
Stoß, direkt in die Kehle, durch sie hindurch in die Wirbelsäule. Er hatte Zeit beim Sterben, aber an dem Kampf nahm er nicht mehr teil.« Santer bückte sich und hob einen der schweren, lederumwickelten Knüppel auf. Er war nicht besonders sauber, doch an zwei Stellen war das dreckige Leder gespalten, und das Holz darunter zeigte helle Kerben.
»Ein Rapier. Ein Langschwert hat eine schwere Klinge und hätte tiefere Kerben geschlagen. Sie wehrte zweimal einen Angriff ab. Also, bis jetzt haben wir drei Schläger, die einer Frau auflauern. Es kommt zum Kampf, einer stirbt sofort, der andere rennt weg und wird von unserem Freund da drüben an der Ecke aufgeschlitzt, und der dritte…«
Nun, dachte Santer und rümpfte die Nase, der dritte sah aus wie ein Spanferkel, das zu lange über dem Feuer gehangen hatte. Der süßliche Geruch von verbranntem Fleisch war immer noch deutlich zu riechen. Santer fragte sich, ob die Robe Desina auch einen besseren Geruchssinn bescherte, und wie sie das aushielt. Er musterte den Toten genauer. Auch wenn es durch die Hitze verzogen war, zeigte das verbrannte Gesicht noch immer einen wütenden Ausdruck.
»Der hier hat gar nicht gemerkt, dass er tot ist«, stellte Santer fest. Er erhob sich wieder, sah sich weiter suchend um und fand dann einen Wurfdolch mit verbogener Spitze. Er hob ihn nachdenklich auf, sah dorthin, wo sich die meisten Spuren der Frau befanden, und musterte dann sorgfältig die Wand. Das magische Licht der Maestra schoss vor und hoch und zeigte eine helle Stelle am Stein.
»Der Kerl hat den Dolch nach ihr geworfen«, stellte Santer fest. Das Licht zuckte zur Seite und zum Boden, wo es etwas anderes beleuchtete, das dort halb begraben von Dreck und Staub lag und glitzerte.
Santer bückte sich und hob es auf. Es war eine silberne Haarnadel, etwa so lang wie seine Hand. Das letzte Drittel der Nadel war flach gewalzt und mit feinen Gravuren versehen.
»Die Frau war wohlhabend und achtet auf ihr Äußeres«, sagte Santer nachdenklich und wog die Haarnadel in seiner Hand. »Das ist reines Silber, und die Gravuren stammen aus Meisterhand. Die Absätze ihrer Stiefel haben scharfe Kanten und sind nicht abgelaufen. Sie kann sich gutes Schuhwerk leisten.«
»Die Haarnadel und die Stiefel sind elfische Arbeit«, teilte ihm die Maestra mit. »Die Sohlen der Stiefel sind ebenfalls verziert, wie man an diesem Abdruck hier sehen kann…« Santer bemerkte, wie sie unter ihrer Kapuze lächelte. »Menschen sparen sich meist die Mühe. Ihr habt etwas übersehen, Santer. Dort hinten.«
Das Licht schwebte vor, um ihm den Weg zu zeigen. Im ersten Moment dachte er, es wäre eine übergroße Fischschuppe. Dann erkannte er, was es war: ein Stück poliertes Elfenbein, wie es ein Lautenspieler manchmal benutzte, um die Saiten anzuschlagen.
»Wir suchen eine Frau mit langen Haaren, die sie gern hochgesteckt trägt, von gepflegter Erscheinung, die ein Rapier mit sich führt und Laute spielt. Taride, die Bardin.« Die Maestra lachte leise, als sie Santers Gesichtsausdruck sah. »Es hilft, wenn man die Leute kennt«, erklärte sie. »Ich habe die Bardin erst letzte Woche wieder gesehen. Sie beeindruckt mich immer aufs Neue. Mit ihrer Stimme, ihren Kleidern und den Stiefeln mit den verzierten Sohlen. Sie besitzt auch ein Rapier.« Die Maestra grinste ihn an. »Außerdem bin ich neidisch auf ihre Haare. Meine weigern sich, eine Frisur zu halten.«
Das, dachte Santer mit einem Lächeln, war etwas, das ihm schon aufgefallen war. »Wisst Ihr auch, wer der andere Mann ist?«, fragte er, und ihr Lächeln schwand.
»Seht Euch seine Fußabdrücke genauer an.«
Santer runzelte die Stirn und beugte sich nieder, das Licht folgte. Es war schwer zu erkennen, nur an einer Stelle, wo der Dreck auf dem Boden fein genug war, konnte man etwas erahnen.
»Raue Sohlen«, stellte Santer fest. »Mehr kann ich nicht sagen.«
»Es gibt nur ein Leder, das rau bleibt und sich kaum abnutzt«, sagte die Maestra. »Drachenleder. Solche Stiefel sind fast unbezahlbar. Und ich kenne nur einen, der sie trägt.«
Er bemerkte ihren Gesichtsausdruck. »Was ist?«, fragte er.
»Er ist ein Freund.«
Santer sagte erst einmal nichts dazu. Er drehte sich um und ging zu dem dritten Toten zurück, den mit der aufgeschlitzten Kehle. »Ich glaube, ich kenne den hier. Er ist ein gedungener Schläger. Er wird schon den einen oder anderen auf dem Gewissen haben. Schade ist es nicht um ihn…« Er blickte zu dem verbrannten Mann.
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