Die Eule von Askir
Häuser in Askir war die Botschaft um einen großen Innenhof herum gebaut. Wenn man erst einmal die Mauer hochkam, stand einem das ganze Haus offen. Also eilte er lautlos die Mauerkrone entlang zum Dach, von dort aus hinüber zum Hauptgebäude, bis er über dem Quartier des Botschafters kauerte. Dass es die Räume des Botschafters waren, entsprang nur einer Vermutung, aber wer sonst sollte die Räume mit dem Balkon besitzen?
Geschickt ließ er sich von der Dachkante aus auf den Balkon herab, musterte die Fensterläden und schüttelte den Kopf, als er bemerkte, dass gleich der erste nicht verriegelt war. Beinahe hätte er sein Glück dort versucht, überlegte es sich anders und probierte die Balkontür. Auch dort hatte man vergessen, den Riegel vorzulegen, etwas, das Wiesel als sehr zuvorkommend empfand, schließlich hatte er zwei gebrochene Rippen.
Er öffnete sie vorsichtig, schlich sich hinein und zog die Tür sofort wieder hinter sich zu. Das hier war wohl der Salon des Botschafters, es gingen drei Türen ab, eine wohl zum Flur, eine mit Sicherheit zum Schlafzimmer, denn von dort erklang sonores Schnarchen. Die dritte Tür musste also zum Arbeitszimmer führen. Händler, Prinzen, Fürsten oder Botschafter… Wenn sie ein Arbeitszimmer besaßen, war das auch der Ort, an dem sich die Geldtruhe befand. Wegen der war er zwar nicht hier, aber… Irgendwie musste er ja in Übung bleiben!
Keine drei Atemzüge später hatte er sie gefunden, sie stand breit und dick direkt hinter dem massiven Stuhl des Botschafters an der Wand. Nett von ihm, dachte Wiesel, so gibt mir der Schreibtisch wenigstens Sichtdeckung. Kaum hatte er das gedacht, hörte er, wie im Salon verstohlen eine Tür geöffnet wurde.
Heute war die Nacht nicht so bewölkt, und Wiesel konnte schemenhaft die Gestalt erkennen, die in das Quartier des Botschafters geschlichen kam. Der Mann war gerüstet, einer der Gardisten der Botschaft. Aber warum schlich er hier herum wie ein Dieb in der Nacht?
Trotz der Schmerzen in seiner Seite musste Wiesel grinsen, es gab ja nur eine Erklärung: Der Soldat versuchte sich ebenfalls im Diebeshandwerk! Er entschied sich, erst einmal abzuwarten, was jetzt wohl geschehen würde.
Vorsichtig und blind tastete der Mann sich durch das Dunkel des Arbeitszimmers, stieß sich prompt ein Schienbein an dem schweren Stuhl und fiel mit lautem Scheppern vor der Geldtruhe zu Boden.
Wäre der Mann anders herum gefallen, hätte er Wiesel unter dem Schreibtisch bemerkt. Der hingegen schaute nur ungläubig zu, denn so viel Tollpatschigkeit hatte er schon lange nicht mehr erlebt. Es war ein Wunder, dass der Botschafter nicht erwachte. Oder aber, und das erschien Wiesel wahrscheinlicher, man hatte ihn betäubt.
Es klirrte leise, als der nächtliche Besucher mit einem Schlüssel die Truhe aufschloss. Er griff hinein, fluchte verhalten und begann die Truhe abzutasten. Das Geräusch von Papier und klingenden Münzen drang an Wiesels Ohr.
Was auch immer der andere in der Kiste suchte, es war dort nicht zu finden. Der Mann ließ die Schultern hängen, raffte sich dann aber auf, schloss die Geldtruhe wieder ab und begab sich auf leisen Füßen hinüber in den Salon, wo er vorsichtig die Balkontür öffnete, dieselbe, durch die Wiesel eben Zugang gefunden hatte.
»Habt Ihr den Wolfskopf gefunden?«, fragte plötzlich eine kalte Stimme von draußen, die Wiesel vor Schreck erstarren ließ, denn sie gehörte dem Mann im Schatten, mit dem der Nekromant Hiras vorhin gesprochen hatte.
»Nein, Herr«, antwortete der Gardist gedämpft. »Ich hätte schwören können, dass er sich in der Truhe des Botschafters befindet, aber da war er nicht. Aber er muss hier irgendwo sein.«
»Dann bemüht Euch mehr«, befahl die kalte Stimme.
»Ja, Herr!«, beeilte sich der Gardist zu versichern. Einen Moment stand er dort am Balkonfenster, dann schloss er es, atmete erleichtert auf und schlich sich aus dem Quartier des Botschafters.
Im Nebenraum knarrte das Bett, als der Botschafter sich unruhig herumwälzte. Ich glaube, dachte Wiesel, jetzt ist es Zeit zu gehen. Als er fast schon am Balkon war, fiel ihm etwas ein. Der aldanische Gardist war der Meinung gewesen, der Botschafter hätte den Wolfskopf in seinem Besitz. Doch der Mann war kein Dieb, sonst hätte er gewusst, dass die Menschen das, was ihnen wichtig ist, nahe bei sich haben wollten.
Leise schlich er ins Schlafzimmer des Botschafters, achtete nicht weiter auf die schlafende, schnarchende Gestalt und zog
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