Die Eule von Askir
»Aber was mit dem da geschehen ist, verstehe ich nicht.«
»Das war Taride.« Die Maestra ließ ihren Blick über den Ort und die drei Toten schweifen und schüttelte den Kopf. »Ich wollte, man hätte mich nicht gerufen.«
»Nun. Es scheint klar«, sagte Santer nachdenklich. »Die drei lauerten der Bardin auf, sie wehrte sich, und Euer Freund kam ihr zu Hilfe. Mehr ist es nicht. Bis auf unseren gebratenen Freund hier ist das kein Grund, großes Aufhebens darum zu machen.« Santer stand auf. »Seid Ihr sicher, dass es die Bardin war?«
»Es ist die einzige Erklärung«, antwortete die Maestra. »Und ihr Geheimnis.«
»Ist sie eine Maestra?«, fragte Santer. Das war es, was er selbst vermutete.
Zu seiner Überraschung schüttelte Desina den Kopf. »Nein. Sie ist keine Maestra. Sie ist eine Elfe. Ich weiß sogar, welche Magie sie verwendet hat. T’i’stit’a. Der Fluss der Funken. Eine Magie, die viele Elfen lernen, noch bevor sie richtig laufen können. Sie wird nur zur Verteidigung eingesetzt und nur dann, wenn die Lage verzweifelt ist. Sie ist sehr anstrengend, sozusagen die letzte Möglichkeit, einen Kampf für sich zu entscheiden.«
»Eine Elfe?«, fragte Santer. Er war nicht überrascht. Wenn Taride keine Maestra war, lag dieser Schluss nahe. Trotzdem war es ungewöhnlich. Mittlerweile sah man die Elfen so selten, dass es Leute gab, die glaubten, sie wären nur eine Legende. »Dann ist doch alles gut, oder?«
Sie schaute hoch zu ihm. »Wie meint Ihr das?«
»Der Fall hier ist geklärt. Keine Nekromantie. Das ist das Wichtigste. Eine junge Frau wurde angegriffen, und sie hat sich gegen ihre Angreifer erfolgreich zur Wehr gesetzt.« Santer zuckte mit den Schultern. »Die drei Kerle hier sind nicht einmal das Papier für den Bericht wert. Und die Bardin Taride? Ich kenne sie. Sie ist seit zwei Jahren hier und singt sich die Seele aus dem Leib. Wenn sie verbergen will, dass sie eine Elfe ist, dann ist das ihre Sache. Soll sie doch, das schadet niemandem. Wenn es anders gelaufen wäre, läge sie jetzt hier… und das wäre schade gewesen, denn sie hat eine Stimme, die selbst die Götter zum Weinen bringen kann.«
»Und was schreibe ich in den Bericht?«
»Genau das. Und dann legt Ihr den Bericht im Archiv des Turms ab. Magie ist die Sache der Eulen. Den Federn wird es reichen, wenn wir ihnen berichten, dass der Fall geklärt ist.« Santer sah noch einmal auf die Toten herab. »Wisst Ihr, Maestra, den Kerlen hier weine ich keine Träne nach. Aber ihre Opfer… das ist etwas anderes. Von denen habe ich schon zu viele gesehen. Taride und Euer Freund haben hier ein gutes Werk getan und wahrscheinlich einigen Menschen das Leben gerettet.«
Die Maestra wollte etwas erwidern, doch dann hielt sie inne und sah zum Eingang der Gasse. Dort war nichts zu sehen, und Santer wollte sie schon fragen, was denn los sei, als ein Fackelschein auftauchte. Es war wieder der Sergeant der Wache.
»Maestra, Stabsleutnant!«, rief er in die Gasse hinein. »Wir haben noch einen gefunden!«
Santer seufzte. »Ich sage mal eben dem Leichenputzer Bescheid, dass er die Kerle hier aufladen kann. Und dass es noch weitere Arbeit für ihn gibt.«
Der nächste Fundort lag nicht weit entfernt von dem ersten, es dauerte nicht lange, bis sie ihn erreichten und der Sergeant auf einen dunklen Hofeingang verwies.
Die Maestra folgte dem Sergeanten langsam und blieb dann am Eingang des halb zerfallenen Hinterhofs stehen. Vor vielen Jahren hatte es hier gebrannt, und das zu dem Hinterhof gehörende Haus war nicht viel mehr als eine Ruine.
»Ich wundere mich, dass es keiner gekauft hat«, meinte Santer. »Ich dachte, Grundstücke hier im Handelsviertel wären sehr begehrt.«
»Das Grundstück steht nicht zum Verkauf«, antwortete Desina abwesend. Sie musterte die verkohlten Reste vor sich auf dem Boden und nickte langsam. »Stabssergeant, ich danke Euch. Wenn Ihr nun bitte zu Euren Männern zurückgehen würdet.«
Der Sergeant warf Santer einen hilfesuchenden Blick zu. Es war klar, dass der Mann darauf brannte, alles genau mitzuverfolgen. Santer gab ihm ein Zeichen, und enttäuscht zog sich der Sergeant zurück, um aus der Entfernung zuzusehen.
»Das hier«, sagte Santer leise, »ist etwas ganz anderes, nicht wahr?« Vor ihm lagen die verkohlten Reste eines Mannes, so heiß verbrannt, dass nur noch graue Asche übrig geblieben war, die teilweise noch die Form der Gliedmaßen hatte. Er bückte sich und berührte den Rest eines
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