Die Euro-Lügner: Unsinnige Rettungspakete, vertuschte Risiken - So werden wir getäuscht (German Edition)
nickte gütig. »Und welche Marke war es?«, fragte ich. Zögernd, als wäre es ihm peinlich, antwortete er: »Damit alles in der nächsten Auflage korrekt ist: ›Ralf Dahrendorf fuhr ein Mercedes-Cabrio.‹« In der nächsten Auflage war alles korrekt.
3. Eine Lanze für Christian Wulff
Zur klassischen Tragödie gehörten schon immer der steile Aufstieg und der tiefe, vernichtende Fall. Wer würde bezweifeln, dass Christian Wulff eine tragische Figur ist? Ebenso wenig kann man daran zweifeln, dass der Bild -Zeitung das fragwürdige Verdienst zukommt, diese Tragödie ausgelöst zu haben – den Aufstieg wie den Fall. Wer die Berichterstattung dieses Blattes im Winter 2011/12 verfolgt hat, wird möglicherweise den Begriff »Berichterstattung« für ungeeignet halten. Im Fall Wulff(s) wurde nicht über etwas, ein Ereignis oder eine Persönlichkeit, berichtet, sondern dieses Ereignis selbst wurde herbei- und die Persönlichkeit vorgeführt.
Der Journalist war zum Handelnden geworden, der nebenbei auch über sich selbst berichtet. Implizit schrieb er über seine eigene Cleverness, seinen hoch entwickelten Gerechtigkeitssinn, sein detektivisches Gespür – und gleichzeitig über die moralische Verkommenheit, die Selbstgefälligkeit und charakterliche Schwäche seines Gegenstandes.
Doch Vorsicht: Über sich selbst kann man ebenso wenig objektiv schreiben wie über seinen erklärten Gegner. Das fällt dem Leser nicht auf, weil ihn das, was da vor seinen Augen abläuft, die »Entlarvung« eines Hochgestellten, zu sehr fasziniert.
Die Bild -Zeitung lieferte die Chronik der laufenden Ereignisse, die das Blatt selbst angestoßen und auf die Spitze getrieben hatte. Aber die Tatsache, dass diese Zeitung mit Papier und Druckerschwärze hergestellt ist, heißt nicht, dass es sich bei dem Gedruckten um Journalismus handelt.
Die Bild -Zeitung ist nicht nur beschreibendes, sondern auch handelndes Element, und was sie betreibt, ist Politik auf der niedrigsten Stufe. Sie greift mit der Zaunlatte in die politischen Zustände der Bundesrepublik ein. Aufgrund von geringfügigen Verfehlungen, die eine Recherche auslösten – oder einer Recherche, die nach geringfügigen Verfehlungen suchte –, wurde Christian Wulff in eine Falle gelockt oder, wie der journalistische Fachausdruck lautet, »auf die Seife geschoben«. Von diesem Augenblick an war jeder Schritt, den er machte, falsch. Am Ende widerfuhr ihm das, was passiert, wenn man auf Seife davonzulaufen sucht.
Nachdem im Frühjahr 2013 Anklage gegen Christian Wulff erhoben wurde, stellte sich heraus, dass von all den demütigenden Behauptungen fast nichts übrig geblieben ist. Sämtliche Vorwürfe der Bild -Zeitung lösten sich in Luft auf. Nur eine Bagatelle von 770 Euro blieb übrig, die er sich möglicherweise und dann vermutlich unbedacht von einem Freund hatte erstatten lassen, und die von der Bild -Inquisition gar nicht bemerkt worden war. Dass darauf eine Anklage wegen »Bestechung« aufgebaut wurde, finde ich schon wegen der Höhe des Betrages fragwürdig: Kann man einen gut verdienenden Mann mit 770 Euro »bestechen«?
Verantwortlich für die Auslösung der Hetzjagd auf den höchsten Repräsentanten Deutschlands waren die Bild -Chefs Kai Diekmann und Nikolaus Blome. Ich frage mich, weshalb ein Mann, der von der Bild -Zeitung in allen Tonarten hochgejubelt wurde, von ihr ziemlich plötzlich von der Klippe gestürzt wurde. Ich frage mich, warum Kai Diekmann an jenem 12. Dezember 2011, an dem alles begann, dem Bundespräsidenten nicht Gelegenheit gegeben hat, ihm vor Drucklegung der »Sensationsenthüllung« seine Sicht der Dinge darzulegen. Und warum Diekmann den Wortlaut der Mailbox-Nachricht von Wulff nicht selbst veröffentlichte, sondern dieser woanders auftauchte. Als Erklärung dafür ließ Diekmann verbreiten, man hätte diese Sache in der Redaktion »breit« diskutiert. Honi soit qui mal y pense!
Wo mit Schmutz hantiert wird, bleibt keiner sauber. Christian Wulff hat in seiner Bedrängnis nicht nur Diekmann, sondern auch den Vorstandsvorsitzenden des Springer-Verlags, Mathias Döpfner, angerufen. Das heißt, der amtierende Bundespräsident hat mit dem Chef einer bedeutenden Firma gesprochen, was selbstverständlich off the record bleiben muss. Nun sind die Tatsache, dass das Telefonat stattgefunden hat, sowie Teile des Inhalts an die Presse gegeben worden. Sicherlich nicht von Wulff. Welch ein Vertrauensbruch! Seitdem kann ich nur jedem, der mit Döpfner über
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