Die Euro-Lügner: Unsinnige Rettungspakete, vertuschte Risiken - So werden wir getäuscht (German Edition)
persönliche Dinge spricht, raten, sich nicht darauf zu verlassen, dass es auch persönlich bleibt. Döpfner legt immer großen Wert auf die Unabhängigkeit seiner Redaktionen, auch mir gegenüber. Soll heißen: Ich bin zwar von Haus aus Journalist, aber jetzt bin ich Unternehmenschef und weiß, wie ich mich in dieser Rolle zu verhalten habe! Ich wüsste von keinem Unternehmenschef, der die Information über ein intimes und persönliches Gespräch mit dem Staatsoberhaupt an die Presse geben würde.
Meinen Vorsatz, solange Blome und Diekmann dort tätig sind, nie wieder einen Fuß über die Schwelle des Axel-Springer-Verlages zu setzen, habe ich zu Ehren des großen Verlegers für die Feier zu seinem 100. Geburtstag durchbrochen. Ich habe es nicht bereut. Vor allem Döpfners inszeniertes Gespräch mit Axel Springer, den er selbst nie persönlich kennenlernte, hat mir sehr gut gefallen. Das war eine Darstellung, die ich kaum einem anderen Unternehmenschef zutrauen würde, und sie zeigt auch, dass Döpfner viele Talente hat. Sein Umgang mit Axel Springers Vermächtnis, seine Treue zu den Springer’schen Idealen (Freiheit, Aussöhnung mit dem jüdischen Volk, Treue zu Israel), der er die »Loyalität zu den Vereinigten Staaten« hinzufügte, ist absolut beachtenswert. Wobei er anlässlich dieses Jubiläums auch auf die Schattenseiten des Verlagshauses in der Vergangenheit einging: Die Wahrnehmung seines Verlagshauses sei oft negativ geprägt gewesen. »Nicht immer ohne Grund«, meinte Döpfner. In den Blättern des Hauses seien früher Dinge geschehen, die falsch gewesen und heute wohl nicht mehr denkbar seien. Merkt er nicht, dass Diekmann längst dafür gesorgt hat, dass Döpfners Nachfolger diesen Teil seiner Aussage irgendwann mal wird wiederholen müssen?
Warum beschäftige ich mich im Zusammenhang mit dem Euro auch mit Christian Wulff? Zur Erklärung ist ein Zeitsprung nötig: Am 24. August 2011 schipperte ich in meinem Segelboot auf dem Bodensee und näherte mich von Bregenz kommend Lindau. Aus der Zeitung wusste ich, dass dort gerade die traditionelle Tagung der Nobelpreisträger stattfand, und ich gebe zu, dass ich gerne ihren Reden zur aktuellen Weltlage gelauscht hätte.
Am Abend nach Bregenz zurückgekehrt, sah ich in den Fernsehnachrichten zu meiner Überraschung, dass Bundespräsident Christian Wulff am Nachmittag eine Rede gehalten hatte. Was mich aber völlig verblüffte, war deren Botschaft. Vor den versammelten Koryphäen aus aller Herren Länder sagte er, dass der Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB gegen verbindliche Verträge verstößt. Ich war elektrisiert: Das Staatsoberhaupt hatte die von Kanzlerin und Bundestag gutgeheißenen Aufkäufe südländischer Staatspapiere kritisiert.
Bei einer solchen Versammlung hochstehender Persönlichkeiten, über die von der internationalen Presse berichtet wird, kam die Botschaft des Bundespräsidenten einem politischen Eklat gleich: Dass ein Verfassungsorgan ein anderes so unverblümt kritisierte, kam meines Wissens höchst selten vor – obwohl es dem ersten Mann im Staat durchaus zusteht. Zudem tat er es vor einer großen Journalistenschar. Auch deshalb musste Christian Wulff wissen, dass jedes seiner Worte auf die Goldwaage gelegt werden würde. Wie ich selbst, schaute damals alles nach Lindau. Und ich dachte: Mann, der hat aber Mut!
Natürlich hatte Wulff sich das genau überlegt, und seine Rede war kein Ausrutscher. Um den Ernst seines Anliegens auszudrücken, hatte er sich das Treffen der Nobelpreisträger ausgesucht, unter denen auch Wirtschaftswissenschaftler waren. Was er ihnen mitteilte, kann man gar nicht überdramatisieren. Die Situation damals war, dass Angela Merkel das erste Griechenland-Paket gegen größte Bedenken durchgeboxt hatte. Und da die Schleusen für Milliardenhilfen schon einmal geöffnet waren, hatte die EZB unter Jean-Claude Trichet massenhaft griechische und portugiesische Anleihen aufgekauft, mit dem einzigen Ziel, den Euro zu retten. Indem Wulff gegen die vertragswidrigen Aufkäufe Front machte, hatte er den Euro, die heilige Kuh der Gemeinschaft, infrage gestellt.
Dass der Lindauer Eklat mich dermaßen elektrisierte, kam nicht von ungefähr. Im Februar 2011, als ich wegen eines Forschungsprojekts meiner Frau in New York lebte, hatte mir mein Berliner Büro mitgeteilt, aus dem Präsidialamt sei ein Anruf gekommen, der Bundespräsident würde mich gern treffen. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, worum es ging und
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