Die Euro-Lügner: Unsinnige Rettungspakete, vertuschte Risiken - So werden wir getäuscht (German Edition)
Franzosen nicht als solchen und wählten Chirac mit einem Rekordergebnis wieder, als folgten sie der Devise: Was ein Skandal ist, bestimmen wir.
Soll ich noch an Präsident Sarkozy erinnern, Angela Merkels chèr Nicolas? Schon kurz nach seiner Wahl fand er nichts dabei, im Luxusanwesen eines Geschäftsmanns an der Côte d’Azur Urlaub zu machen. Im Gegensatz zu seinen deutschen Kollegen dachte er gar nicht daran, dafür zu bezahlen. Und auch die Franzosen dachten nicht daran. Ebenso wenig fiel ins Gewicht, dass er eine bedenkliche Nähe zu reichen Geschäftsleuten entwickelte, im Vergleich zu denen Wulffs Kumpel meist arme Leute waren. Kein Wunder also, dass die Franzosen über unsere Art, mit den Minimalfehltritten unserer Politiker wie Scharfrichter ins Gericht zu gehen, weiterhin nur mitleidig lächeln.
Allerdings muss man, was den deutschen Skandalreflex betrifft, differenzieren. Wie man sagt: »Wenn zwei das Gleiche tun, dann ist es nicht das Gleiche«, so wird auch im Fall der Politikeraffären mit zweierlei Maß gemessen. Als sich der damalige Ministerpräsident Niedersachsens, Gerhard Schröder, mit seiner dritten Frau von VW -Chef Ferdinand Piëch zum pompösen Wiener Opernball hatte einladen lassen, bezahlte er erst dafür, als ihm die Presse auf die Schliche gekommen war. Ich erinnere mich gut daran, wie die Bild -Zeitung und der Spiegel relativ zahme Bedenken anmeldeten – nichts im Vergleich zu dem Tumult, der um Wulff angezettelt wurde. Aber der gehörte, Pech für ihn, einer anderen Partei an. Dass er sich dummerweise gegen die Euro-Rettungspolitik der EZB ausgesprochen hatte, war wohl ein Zufall.
KAPITEL VIER
Kanzlerin »Gespaltene Zunge«
1. Die Tricks des Machterhalts
Als Johannes Rau im Frühjahr 2004 bekannt gab, nicht für eine zweite Amtszeit zur Verfügung zu stehen, wurde ein neuer Bundespräsident gesucht. Die Bild am Sonntag wollte schneller als alle anderen sein und die Exklusivmeldung bringen, wonach auch ich auf Angela Merkels Liste für mögliche Nachfolger Raus stünde. Natürlich handelte es sich um eine Falschmeldung, die sich die Redaktion aus den Fingern gesogen hatte. Offenbar war ihr verborgen geblieben, wie unwahrscheinlich dies war – nicht zuletzt, weil ich in der Bundesversammlung kaum über 1 Prozent der Stimmen hinausgekommen wäre. Dennoch hatte ein ebenso ahnungsloser wie übereifriger Redakteur seinen Artikel so abgefasst, als hätte ich mich selbst ins Gespräch gebracht. Da ich noch rechtzeitig davon »Wind bekam«, rief ich Chefredakteur Claus Strunz an, der sogleich die Druckmaschinen anhalten ließ. Allerdings stellte sich heraus, dass ein Teil der Auflage bereits gedruckt und ausgeliefert war.
Da Frau Merkel, wie ich annahm, die Falschmeldung ebenfalls vorab erhalten haben könnte, sandte ich ihr ein Fax in ihren Urlaubsort im Engadin. Meine Absicht war nicht allein, diese lachhafte Ente zu dementieren, sondern auch, die Kanzlerin noch einmal daran zu erinnern, dass sie doch mit Wolfgang Schäuble in ihren eigenen Reihen einen hervorragenden Kandidaten hätte. In der Folgezeit setzte ich mich nach Kräften für ihn ein und bin noch heute absolut sicher, dass er damals der mit Abstand beste Kandidat war.
Wie viele andere auch, war ich davon überzeugt, dass kein anderer Politiker wie Wolfgang Schäuble 2004 geeignet war, die große Tradition deutscher Bundespräsidenten fortzusetzen, unter denen mich Roman Herzog besonders beeindruckt hatte. Auch verfügten CDU / CSU und FDP über eine bequeme Mehrheit im Bundestag. Seiner Wahl stand also nichts im Weg.
Vielleicht aber doch, und von anderer Seite, als man annehmen durfte. In Gesprächen mit Koalitionspolitikern erfuhr ich Erstaunliches: Altkanzler Helmut Kohl, der wie Schäuble durch Merkel gestürzt worden war, hätte »sehr viel telefoniert«, um diesen Kandidaten zu verhindern. Mir kam es vor, als gönnte er seinem einstigen Stellvertreter den Job nicht. Angeblich würde auch die Kanzlerin die Kandidatur Schäubles unterstützen. Aber sie hätte eben auch erfahren, dass es in der FDP Vorbehalte gegen ihn gebe.
Wie seltsam, dachte ich. Worüber hätten die Liberalen sich denn beschweren können? Dass er ihnen irgendwann auf den Schlips getreten wäre, war mir nicht bekannt. Zusammen mit Alexandra Oetker, einer Liberalen, die sich unermüdlich für die FDP einsetzte, intervenierte ich bei Guido Westerwelle. Auf unsere Nachfrage versicherte er uns, dass es an der FDP nicht liegen solle. Seines Wissens
Weitere Kostenlose Bücher