Die Euro-Lügner: Unsinnige Rettungspakete, vertuschte Risiken - So werden wir getäuscht (German Edition)
Während allgemein angenommen wird, sie sei im Kampf für den Euro die Hauptakteurin, sehe ich sie vor allem als Getriebene. Versetzt man sich an ihre Stelle und teilt ihre Sichtweise, kann man zu keinen anderen Schlüssen und eben auch keinen anderen Beschlüssen kommen als sie. Wenn auch ihre Behandlung der Eurokrise nicht alternativlos ist – eine überzeugende »Alternative« werde ich später vorstellen –, so sind es doch die Konsequenzen, die sie daraus zieht. Wer A sagt, muss auch B sagen, und wer das Schicksal Europas mit dem des Euro verbindet, muss die Maßnahmen ergreifen, die zur Rettung dieser Kunstwährung nötig sind.
Getrieben ist sie aber nicht nur von der Eigendynamik ihrer einmal getroffenen Grundentscheidung im Mai 2010: Sie steht unter Druck von der Opposition, die meint, sie hätte Griechenland viel zu spät geholfen, sollte endlich die Bankenunion mit europaweiter Einlagensicherung und die Euro-Bonds einführen – und gleichzeitig unter dem der alten Granden ihrer eigenen Partei, für die der Euro im Katechismus steht.
Vor allem Helmut Kohl scheint sich hier gewaltig ins Zeug gelegt zu haben, um der Frau, die ihn wegen der Parteispendenaffäre aufs Altenteil gedrängt hat, die europapolitischen Leviten zu lesen. Da er einer der Initiatoren des Euro war, würde dessen Scheitern einen weiteren Schatten auf seine Biografie werfen, in der er sich als Vater der Einheit Deutschlands und Europas dargestellt wünscht. Sein berühmter Satz »Die macht mir mein Europa kaputt« dürfte sie tief getroffen haben. Nachdem sie anfangs den Ausschluss Griechenlands gefordert hatte, sollte sie später sämtlichen Rettungsaktionen des Pleitestaates zustimmen.
Übrigens wird Kohls Einstellung des »Euro über alles« von seinem ehemaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher geteilt, für den zur Rettung der Einheitswährung kein Preis zu hoch scheint. Beide, davon bin ich überzeugt, interessiert nur eines: ihr Bild im Geschichtsbuch. Ob die Rolle, die Angela Merkel in künftigen Geschichtsbüchern spielt, für sie selber wichtig ist, bezweifle ich. Sie lebt im Augenblick und entscheidet »auf Sicht«. Verfolgen Kohl und Genscher nach wie vor einen Traum, der mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat, so konzentriert Angela Merkel sich auf die nun einmal gegebene Wirklichkeit und verfolgt nüchtern, sachlich und wenn nötig auch doppelzüngig ihre Ziele. Alles spricht dafür, dass Angela Merkel nach der Energiewende bald eine nicht minder dramatische Kehrtwende in der europäischen Fiskalpolitik hinlegen wird. Französischem Begehren nach Lockerung der Sparziele, nach Wachstumsinitiativen mit der Folge neuer Schulden, nach zentralistischen Eingriffen und konjunkturellen Strohfeuern wird sie im Namen der deutsch-französischen Freundschaft genauso nachgeben wie vorher anderen Forderungen von jenseits des Rheins. In der DDR hat Angela Merkel die russische Sprache gelernt, während der ersten Jahre ihrer Kanzlerschaft Englisch. In der Euro-Politik führt sie schon längst das Französische auf der Zunge.
2. Tue Gutes und sprich nicht darüber
Mehrmals habe ich eine Seite von Angela Merkel kennengelernt, die in der Öffentlichkeit wenig bekannt und auch Gertrud Höhler verborgen geblieben ist – und zwar, weil Angela Merkel dies so will. Manches muss die Öffentlichkeit nicht wissen. Es gibt eine amerikanische PR -Regel, wie man am besten in der Öffentlichkeit ankommt: Tue Gutes und sprich darüber. Merkels Variante zu diesem Rat lautet umgekehrt: Tue Gutes und sprich nicht darüber.
Der Fall Ai Weiwei ist durch die Weltpresse gegangen – nicht aber die Rolle, die Angela Merkel dabei spielte. Ai Weiwei ist der Doyen der chinesischen Gegenwartskunst und Superstar der internationalen Kunstszene. In Deutschland wurde er 2007 durch seine überraschenden Beiträge zur Dokumenta bekannt. Als dieser großartige Konzeptkünstler im April 2011 auf dem Pekinger Flughafen verhaftet und an einem unbekannten Ort festgehalten wurde, beschlossen wir von Amnesty International, eine Demonstration zu veranstalten, um uns öffentlich für seine Freilassung einzusetzen.
Mit meiner Frau Bettina und Freunden von Amnesty ging ich zum Brandenburger Tor, wo sich schon zahlreiche Teilnehmer und natürlich auch die Presse eingefunden hatten. Obwohl ich eher selten auf Protestveranstaltungen zu finden bin, sorgte ich diesmal für Aufsehen, indem ich, wie es sich gehört, ein Plakat in die Höhe hielt. Darauf stand, was wir alle gern
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