Die Euro-Lügner: Unsinnige Rettungspakete, vertuschte Risiken - So werden wir getäuscht (German Edition)
schwer zu durchschauen, das stellte sogar Bundespräsident Gauck fest. Wer ist sie wirklich? Gertrud Höhler hat sich an einer Antwort versucht. Ihr 2012 erschienenes Buch, Die Patin , hat einiges Aufsehen erregt. Obwohl es ganz oben auf der Sachbuch-Bestsellerliste stand, ist es nicht eigentlich ein Sachbuch. Die Patin ist eine Kampfschrift, die nicht sachlich, sondern leidenschaftlich sein will, gelegentlich auch leidenschaftlich böse. Für eine reine Polemik ist der Erfolg erstaunlich. Was reizte die 71-jährige Professorin zu ihrem Porträt von Merkel als weiblichem Don Corleone? Nicht ihr germanistischer oder unternehmensberaterischer Background, sondern vermutlich die Tatsache, dass sie eine langjährige Vertraute Helmut Kohls ist. Zwischen dem Altkanzler und der Neukanzlerin war noch eine Rechnung offen, und Gertrud Höhler fühlte sich offenbar berufen, sie zu begleichen.
Ist ihr das gelungen? Aus der Sicht des Merkel-Opfers Kohl und der Opposition gewiss. Politik lebt ohnehin von Einseitigkeit, und insofern ist Die Patin ein hochpolitisches Buch. Aber stimmt es auch, wenn sie der einstigen DDR -Bürgerin vorwirft, ein DDR -würdiges Demokratieverständnis, das heißt kein Demokratieverständnis, zu besitzen? Und wie ist die Behauptung zu verstehen, Merkel wolle »Kanzlerin Europas« werden, nicht weil ihr der Kontinent das Geringste bedeute, sondern weil es »die nächstgrößere Dimension von Machtfülle« sei? Wäre die deutsche Kanzlerin also die perfekte und perfekt getarnte Machiavellistin? Sozusagen die Verkörperung von Nietzsches Willen zur Macht? Oder die heimliche Vertreterin eines »autoritären Sozialismus«, die im Verborgenen den »Umsturz« plant? Oder, wie Höhler am Ende des Buches auf den Punkt bringt, die »Protagonistin in einem dämonischen Spiel«? Die Uckermärkerin eine verkappte Dämonin? Quatsch!
Dämonisch ist allenfalls Höhlers Hass, der aus jeder Zeile spricht. Aber Hass ist ein schlechter Ratgeber, gerade auch beim Schreiben eines Buches. Vor allem hätte die Professorin einen Rat des Tacitus beherzigen sollen, den jeder Pennäler kennt: Die Wahrheit gibt es nur, so der antike Historiker, sine ira et studio – ohne Zorn und Fanatismus, ohne hasserfüllte Ablehnung oder leidenschaftliche Zustimmung. Geschichtsschreibung muss frei von Vorurteilen sein. Hätte die Germanistikprofessorin sich daran gehalten, wäre sogar ein gutes Buch daraus geworden.
Denn was sie schreibt ist zwar einseitig, aber vieles, was sie beobachtet hat, trifft zu. Offenbar schrieb Frau Höhler aus sicherer Entfernung. Meine eigenen Erfahrungen mit Angela Merkel können einige Nähe für sich beanspruchen. Ich kenne sie seit ihrer Zeit als Bundesumweltministerin Mitte der Neunzigerjahre, als ich ihr gegenüber die Position der Industrie vertreten habe. Sie war eine sehr sachliche, zugleich betont freundliche Frau, die, so schien es mir, kein Wässerchen trüben konnte. Die für manche Damen in Machtpositionen typischen Allüren waren ihr unbekannt. Dazu kam, dass sie bescheiden auftrat und dankbar für jede Belehrung war. Sie hörte aufmerksam zu und zog im Stillen ihre Schlüsse. Damals vertraute ich ihr.
In Sachen Umweltschutz waren wir auch einer Meinung. Zusammen flogen wir nach Kyoto, wo sie das berühmte Protokoll unterzeichnete, mit dem der weltweite CO 2 -Ausstoß geregelt werden sollte. Die Verabredung zwischen der deutschen Industrie und Politik zur freiwilligen Senkung des Kohlendioxid-Ausstoßes wurde international begrüßt. Damals schrieb ich an sämtliche Industrie-Präsidenten der Welt, um für dieses Modell zu werben. Kurz, wir waren beide aktive Umweltpolitiker, wobei mein Einsatz von der internationalen Industrie übel vermerkt wurde.
Ganz klar kann ich festhalten: Bis zur Eurokrise hatte ich ein entspanntes, wenn nicht sogar von Sympathie getragenes Verhältnis zu Angela Merkel. Ehrlichkeit beeindruckt immer, zumal bei Politikern, von denen viele sehr sparsam damit umgehen. Und sie schien mir ehrlich. Dass sie irgendwann als in sich gespalten oder geradezu doppelzüngig erscheinen würde, konnte ich damals nicht ahnen. Immerhin erinnere ich mich an die ominöse Aussage eines hochgestellten Politikers, der zu ihrem engsten Mitarbeiterkreis gehört. In einem schwachen Moment sagte er auf meine diesbezügliche Frage: »Sie ist eine Schlange.«
Ich wollte das nicht wahrhaben – eigentlich will ich es auch heute noch nicht, wo auch mein Bild von ihr zwiespältig geworden ist.
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