Die Euro-Lügner: Unsinnige Rettungspakete, vertuschte Risiken - So werden wir getäuscht (German Edition)
beziehen, müssen sie 45 Jahre arbeiten, in Frankreich genügen 41, in Italien 40, in Spanien und Griechenland sogar nur 35 Jahre. Dasselbe Bild zeigt sich im Vergleich des Renteneintrittsalters: Während bei uns noch fast 60 Prozent der Menschen zwischen 55 und 64 Jahren arbeiten, sind es in Frankreich nur 41,5 Prozent, und in Griechenland oder Italien liegt der Anteil bei unter 40 Prozent.
Wer nun glaubt, dass wir für diese Zurückhaltung, die an Selbstdemontage grenzt, zum Ausgleich irgendwelche Vorteile oder Privilegien erhielten, der täuscht sich. Das Gegenteil ist der Fall: Da unsere Politiker unablässig und in allen Tonarten darauf beharren, wie sehr wir vom Euro profitieren – eine Lobhudelei zur Beruhigung der eigenen Bürger –, nehmen die Südeuropäer den Ball dankend auf und halten uns zurecht entgegen: Wenn ihr solche gewaltigen Vorteile durch den Euro genießt, dann könnt ihr auch unsere gewaltigen Schulden übernehmen. Denn was ihr für uns tut, das tut ihr für den Euro. Und der ist gut für euch. Genau so wird es gesagt, und genau so wiederholen es unsere Politiker. Sonst könnte ja jemand auf den Gedanken kommen, mit uns würde ein Falschspiel betrieben.
3. Vertuschte Schulden
Unbemerkt von den Deutschen und wohl auch von ihren Politikern, die in Sachen Euro-Finanzierung nicht so genau hinschauen, hat sich ein obskures Feld der Euro-Rettung entwickelt, das den harmlosen Namen TARGET trägt. Das heißt im Englischen »Ziel«, aber in diesem Fall steht es, gewollt verwirrend, für »Trans-European Automated Real-Time Gross Settlement Express Transfer System«, in der offiziellen Übersetzung »Transeuropäisches Automatisiertes Echtzeit-Brutto-Express-Zahlungsverkehrssystem«. Wie bitte? Hier zeigt sich, dass Worte nicht nur etwas ausdrücken, sondern auch verschleiern können.
Es geht um das, was man in der deutschen Übersetzung bewusst unter den Tisch fallen lässt: Um Transfer, genauer den Transfer deutschen Geldes ins Ausland, ohne einen Gegenwert dafür zu bekommen. Diesen unglaublichen Vorgang, der still und leise in den Büchern der Zentralbanken vor sich geht, hat als Erster der frühere Bundesbankpräsident Helmut Schlesinger publik gemacht. In den Monatsberichten der Bundesbank hat er auf Kleingedrucktes hingewiesen, in dem »Forderungen innerhalb des Euro-Systems« aufgeführt wurden. Während dieser Posten vor 2007 keine Rolle spielte, ist er seit der weltweiten Finanzkrise sprungartig in die Höhe geschnellt. Handelte es sich dabei etwa um versteckte Bail-out -Zahlungen der Deutschen, die über die abgesegneten Rettungsschirmmilliarden hinausgingen?
Ifo-Chef Hans-Werner Sinn wollte es genauer wissen, stellte bei Bundesbank und EZB Recherchen an, rechnete nach. Was ihm gleich zu Anfang seiner Suche im Dunkelbereich auffiel: Nirgends war vermerkt, dass das, was als »Forderungen« geführt wurde, de facto Schulden der Südländer waren – Schulden ihrer Zentralbanken gegenüber der Bundesbank, also gegenüber Deutschland. Versteckt unter dem harmlosen Akronym TARGET .
Was genau geschieht hier? Wenn ein Südland wie Frankreich oder Griechenland einen Mercedes-Lkw kauft, bekommt der Autobauer den Gegenwert aus dem Käuferland überwiesen. Mercedes hat am Ende der Transaktion sein Geld und denkt sich nichts weiter dabei.
Auf der anderen Seite muss dieses Geld ja von irgendwoher gekommen sein. Mercedes erhält es nicht direkt von einer Pariser oder Athener Bank, sondern über die sogenannten Target-Salden der Bundesbank. Diese legt es sozusagen für den Käufer aus, indem sie es an die EZB weiterreicht, die wiederum den Verkäufer bezahlt. Ein seltsames Geschäft: Eine französische, italienische oder zyprische Firma erhält einen Mercedes- Lkw, aber bezahlt wird er von der Bundesbank. Der Käufer ist zufrieden, ebenso der Autobauer – nur die Bundesbank ist unzufrieden, denn den ausgelegten Betrag hat sie nun in ihren Bilanzen als Forderung stehen. Als Schulden, die die EZB , als Vertreter der französischen oder spanischen Zentralbanken, gegenüber der Bundesbank hat.
Normalerweise wird diese Einseitigkeit dadurch ausgeglichen, dass das Käuferland selbst Waren oder Dienstleistungen nach Deutschland verkauft, die auf dieselbe Weise durch die EZB , als Vertreterin der nationalen Zentralbanken, finanziert werden, wodurch in diesem Fall die Bundesbank ihr Schuldner wird.
Dieses ungefähre Gleichgewicht im innereuropäischen Warenaustausch, das in den Anfangsjahren des Euro
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