Die Euro-Lügner: Unsinnige Rettungspakete, vertuschte Risiken - So werden wir getäuscht (German Edition)
herrschte, hat sich seit 2007 in ein krasses Ungleichgewicht verwandelt – zuungunsten Deutschlands. Warum? Dadurch, dass der Euro immer stärker für die südlichen, immer schwächer für die nördlichen Länder, hauptsächlich also Deutschland, wurde, ergab sich folgendes Phänomen: Da die Waren oder Dienstleistungen der Südländer wegen des Euro immer teurer wurden, holten sich die Deutschen das Gewünschte in außereuropäischen Ländern. Sie fuhren im Urlaub nicht mehr nach Kreta, sondern nach Antalya. Oder kauften ihre Oliven nicht mehr in Spanien, sondern in Tunesien.
Folge: Das deutsche Übergewicht in der Handelsbilanz wurde immer stärker. Inzwischen haben wir in der EZB einen Überhang zugunsten Deutschlands in Höhe von über 600 Milliarden Euro, deren Tilgung vermutlich erst am Sankt-Nimmerleins-Tag erfolgt. Auf diesen skandalösen – und skandalös vertuschten – Zustand, dass die Südländer bei uns Schulden machen, ohne sie zu bezahlen, hat Hans-Werner Sinn in seinem Buch Die Target-Falle hingewiesen.
Welch unhaltbarer Zustand: Die deutsche Volkswirtschaft schickt ununterbrochen und massenhaft ihre Waren in den Süden – und bekommt nichts dafür. Zwar merkt Mercedes nichts davon, weil man dort ja sein Geld erhält. Aber woher? Von der Bundesbank, die dafür einen Schuldschein der EZB bekommt. So werden die Unternehmen immer reicher, die Bundesbank immer reicher an Forderungen.
»Es ist«, so Hans-Werner Sinn, »als ob ich für meinen Freund, der sein Portemonnaie vergessen hat, eine Handwerkerrechnung bezahle. Ich gebe ihm durch die Ausführung der Zahlung an seiner Stelle einen Kredit und erwerbe dadurch eine Forderung gegen ihn. Der Unterschied ist nur, dass mein Freund mir das Geld des Abends zurückgibt, während die Target-Forderung im Prinzip unbegrenzt stehen bleibt und niemals fällig gestellt«, also eingetrieben werden kann. Allerdings, so schränkt Hans-Werner Sinn seinen Vergleich mit dem freundschaftlichen Geldverleih ein, »kann ich mich jederzeit entscheiden, ob ich meinem Freund aus seiner Bredouille helfe oder nicht. Beim Target-Kredit hat die Bundesbank hingegen keinerlei Entscheidungsfreiheit.« Sie »muss die Zahlungen ausführen und kann sich nicht verweigern. So ist nun mal das Euro-System.«
Diese einseitige Belastung der Deutschen taucht in den ganzen ESM -und- EFSF -Rettungsmechanismen gar nicht auf. Die Deutschen retten, und keiner weiß es. Ganz zu schweigen davon, dass ihnen keiner dankt. Und keiner außer Helmut Schlesinger und Hans-Werner Sinn sagt etwas, weil diese für Deutschland so riskanten Salden ja vielleicht doch irgendwann beglichen werden, in fernster Zukunft. Oder spätestens dann, wenn Griechenland, Spanien und Portugal so viele Lkws, Flugzeuge und Werkzeugmaschinen nach Deutschland exportieren, dass sie damit unsere Lieferungen ausgleichen können.
Derlei Hoffnungsposten – in Wahrheit Hoffnungslosposten – erscheinen in der Bilanz aber als Aktiva. Als hätte man sie schon, sozusagen. Was wollt ihr, sagt die Bundesbank, wir haben doch die Forderungen, die sind ja fast schon wie künftige Guthaben. Sie hofft und wir hoffen – aber das Prinzip Hoffnung ist in einer Volkswirtschaft ein schlechter Ratgeber.
Wie das Kaninchen auf die Schlange, so starren seit Hans-Werner Sinns Buch alle Volkswirte der Banken auf die Target-Salden. Da sie die Euro-Rettung ganz toll finden, beobachten sie die aufgelaufenen Schulden in der Hoffnung, dass diese irgendwann wieder sinken werden. Geschieht es dann einmal, rufen sie begeistert: Wir sind gerettet. Unser System funktioniert.
Welch ein Irrtum: Warum glauben die Volkswirte denn, dass der Target-Saldo eines Südlandes schrumpft? Etwa weil es plötzlich Berge von Flachbildfernsehern oder Schiffsladungen von Oliven nach Deutschland exportiert? Nein, das Absinken ist Folge der katastrophalen Entwicklung in diesem Land, die einfach dazu führt, dass sie viele Waren gar nicht mehr einkaufen. Eine Firma, die pleitegeht, importiert nichts mehr. Und die Bundesbank bleibt auf den Target-Schulden sitzen.
Dasselbe gilt, wenn ein Land pleitegeht. Auf wie wackligen Füßen die Forderungen stehen, zeigt sich schon darin, dass im selben Augenblick, in dem ein Land bankrott ist und die Euro-Zone verlässt, seine Schulden gelöscht sind. Wie wenn eine Firma in Konkurs geht: Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren. In unserem Beispiel: Griechenland hat jahrelang Mercedes-Lkws importiert, aber das von der Bundesbank,
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