Die Euro-Lügner: Unsinnige Rettungspakete, vertuschte Risiken - So werden wir getäuscht (German Edition)
Vortrag zu halten. Das Thema, das mich beschäftigte, war nicht der Euro, den ich damals noch unterstützte, sondern die Überheblichkeit der Parteien. Wegweisend war mir ein Wort von Bundespräsident Richard von Weizsäcker gewesen, der sagte, dass unsere Parteien nicht mehr, wie es das Grundgesetz vorsieht, an der Willensbildung des Volkes teilnehmen, sondern sich sinngemäß die Macht unter den Nagel gerissen haben. Entsprechend nannte ich meine Rede salopp »Wie die Freien Wähler das Monopol der Parteien knacken können«.
Bei jenem Treffen im Restaurant des Frankfurter Hauptbahnhofs sprach ich vor einem halben Hundert Interessierten darüber, was ich den Freien Wählern als bundespolitisches Parteiprogramm empfehlen würde. Zu meinen Vorschlägen, die wir teilweise im Konvent für Deutschland erarbeitet hatten, gehörten die Stärkung der plebiszitären Elemente, also mehr Beteiligung des Volkes an politischen Entscheidungen, und damit zusammenhängend auch die Forderung, das Staatsoberhaupt und die Ministerpräsidenten, wie in anderen demokratischen Ländern üblich, vom Volk direkt wählen zu lassen. Ich erinnere mich, schon damals den Zentralismus in Berlin und Brüssel scharf kritisiert zu haben. Man muss einfach sehen, dass man nicht Zentralismus und Demokratie haben kann, sondern nur Zentralismus oder Demokratie.
Schließlich habe ich den Freien Wählern – anlässlich des 60. Geburtstages unseres Grundgesetzes – vorgeschlagen, den Artikel 146 ernst zu nehmen, demzufolge nach erfolgter Wiedervereinigung die Zeit gekommen ist, den Bürgern das Grundgesetz zur Abstimmung vorzulegen – andernfalls blieben wir weiterhin das einzige moderne Land der Welt, dessen niedergeschriebene Verfassung nicht vom Souverän verfasst oder autorisiert wurde.
Die Veranstaltung in Frankfurt lief nach Wunsch und ich erhielt auch viel Zustimmung. Bis eine auffällige Rothaarige in den Saal hereinplatzte, die ihre Verspätung wie einen geplanten Auftritt inszenierte. Es handelte sich um die berühmt-berüchtigte Gabriele Pauli, die einst als CSU -Abgeordnete am Sturz Edmund Stoibers mitgewirkt hatte und dann 2007 aus der CSU aus- und in die Freien Wähler eingetreten war. Als deren Vertreterin war sie 2008 in den Bayerischen Landtag eingezogen. Nachdem sie im Folgejahr bei der Europawahl scheiterte, gründete sie eine eigene Partei, worauf die Freien Wähler sie an die Luft setzten.
Damals in Frankfurt stand die Dame noch im Zenit ihres Freie-Wähler-Erfolgs und genoss, als kecke, aus Funk und Fernsehen bekannte Diva, die Begeisterung der Menge. Schnell begriff ich, dass angesichts dieses neuen Brennpunkts des Interesses meine eigenen Bemühungen ziemlich hoffnungslos waren, und überließ die Freien Wähler ihrem Pauli-Rausch. Verwundert über diesen Personenkult und desillusioniert von der allgemeinen Kleinkariertheit, die mir recht provinziell erschien, setzte ich mich in den nächsten ICE , wohl wissend, dass dies die einzige Parteialternative gewesen war, die sich mir angeboten hatte.
So hatte ich mich von den Freien Wählern befreit, doch diese sich nicht von mir. Ende 2011 erhielt ich einen Anruf von Hu bert Aiwanger, der seine Partei 2008 mit erstaunlichen 10,2 Prozent in den Bayerischen Landtag geführt hatte. Da ihn meine Gedanken zum Euro sehr interessierten, wolle er mich treffen. Ich wusste, dass er seit 2010 neuer Bundesvorsitzender der Freien Wähler war und den Ehrgeiz hatte, seine Partei auf bundespolitischer Ebene zu etablieren. Die lokal verwurzelten Wählergruppen, die vor allem in Süddeutschland saßen, sollten den Kern einer neuen Partei bilden, die bei den Bundestagswahlen 2013 antreten würde.
Unser Treffen, zu dem er seine Bundesgeschäftsführerin, eine Frau Cordula Breitenfellner, mitgebracht hatte, fand im Berliner China Club statt. Wir ließen uns in den Ledersesseln nieder und plauderten bei einem Drink. Mir fiel sogleich seine Bodenständigkeit auf, gepaart mit einer für Politiker typischen Resolutheit. Er erzählte mir vom Leben auf seinem Bauernhof, mit Stolz auch von seinem Einzug in den Bayerischen Landtag. Ich spürte, dass dieser Mann mit beiden Beinen auf der Erde, besser: auf der Scholle steht, und mir gefiel auch, wie er die politischen Entwicklungen, an erster Stelle die unendliche Geschichte der Euro-Rettung, mit einem gesunden Menschenverstand beurteilte, der unseren Politikern in Berlin abgeht. Da das Wort »bauernschlau« einen negativen Beigeschmack hat, würde ich
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