Die Euro-Lügner: Unsinnige Rettungspakete, vertuschte Risiken - So werden wir getäuscht (German Edition)
Aiwanger als »bauernklug« bezeichnen.
Mein Modell einer Aufteilung des Euro in zwei Zonen mit unterschiedlichen marktwirtschaftlichen Parametern schien ihm bereits bekannt, woraus ich schloss, dass der Anlass seines Anrufs die Lektüre von Rettet unser Geld! gewesen war. Bei unserem Gespräch versuchte ich ihn zu überzeugen, in den kommenden Wahlkämpfen die eurokritische Komponente seines Programms in den Vordergrund zu stellen. Das leuchtete ihm ein, und heute gelten die Freien Wähler bei vielen als Protestpartei gegen die Unsummen, die die Zwangsrettung des Euro verschlingt.
Wir verabredeten, im Dezember 2011 in Berlin gemeinsam bei einer Pressekonferenz aufzutreten. Von Medienseite herrschte enormer Auftrieb, und für Aiwanger war es wohl sein erster Auftritt auf Bundesebene. Eben darin bestand die Botschaft: dass die Freien Wähler sich zukünftig bundespolitisch organisieren wollen. Ich machte kein Hehl aus meiner Erwartung, dass sich mit dieser Partei endlich eine Alternative zur blinden Euro-Zustimmung der etablierten Parteien ergäbe. In den Medien wurde ich auch mit dem FDP -kritischen Satz zitiert: »Mit der Entscheidung der Mitglieder der FDP für den permanenten Rettungsschirm ( ESM ) zugunsten vieler finanzschwacher und weniger finanzstarker Länder hat die letzte im Bundestag vertretene liberale Kraft ihren Geist aufgegeben.« Und meine Hoffnung bestand eben darin, dass die Freien Wähler unter Hubert Aiwanger sich 2013 im Bundestag als neue liberale Partei im Geist Graf Lambsdorffs etablieren würden.
Die Frage, ob ich mich parteipolitisch engagieren und ein Mandat der Freien Wähler übernehmen würde, verneinte ich, wie immer. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, als Politiker auch für jene Teile eines Parteiprogramms geradezustehen, die ich eigentlich ablehne. Da mir jeder Zwang verhasst ist, gilt das auch für den Fraktionszwang, diese menschenunwürdige Gängelung des eigenen Gewissens. Ich halte es nicht für übertrieben, dieses bei uns übliche Überzeugungs- streamlining von Abgeordneten als Zwang zur Lüge zu bezeichnen.
Selbst bei der FDP , deren liberale Überzeugungen sich jahrelang mit den meinen deckten, wollte ich nicht Mitglied werden. Als die damaligen Parteigranden Wolfgang Gerhardt und Günter Rexrodt mir das ehrenvolle Angebot machten, die Führung der Berliner FDP zu übernehmen, lehnte ich ab. Förderte ich doch die Freien Demokraten unter anderem deshalb, weil sie als einzige Partei den Begriff der Freiheit im Namen trugen. Und die wollte ich mir erhalten.
Mit den Freien Wählern hatte sich nun eine überraschende Alternative aufgetan. Auch ohne Mitgliedschaft erklärte ich mich bereit, sie bei ihrer bundesweiten Ausdehnung zu unterstützen – schließlich war es die einzige eurokritische Plattform mit Chancen auf den Einzug ins Parlament. In den folgenden Monaten bin ich für die Freien Wähler einige Male in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein aufgetreten. Dabei fiel mir auf, dass die meisten Parteimitglieder keine typischen Politiker sind, die im Herzen oft Zyniker sind, sondern ausgesprochene Idealisten, die für ihr Ziel alles geben wollen.
Genau darin aber lag auch das Problem. Da die meisten der 280000 Mitglieder der Freien Wähler ihre politische Heimat in den Kommunen haben, also lokalpolitisch engagiert sind, fiel es ihnen schwer, Aiwangers bundespolitische Pläne zu teilen. Bald musste ich bemerken, dass die geplante Ausweitung und damit die Teilnahme am Bundestagswahlkampf 2013 nicht »in die Gänge kam«. Zudem meldeten sich manche der Mitglieder, deren Idealismus ich anfangs bewundert hatte, mit teilweise absonderlichen Vorschlägen zu Wort. Woche für Woche kamen neue Programmpunkte, als wäre die Partei ein Wunschkonzert zur Weltverbesserung. Unübersehbar war auch der plötzlich aus brechende Opportunismus gegenüber der öffentlichen Meinung. Programm wurde, was gerade ankam.
Die Euro-Kritik, die mich zu einem Fan der Freien Wähler hatte werden lassen, rückte immer mehr in den Hintergrund, die Rekommunalisierung von Wasserwerken oder die Gebührenpflicht für Diskotheken in den Vordergrund. Statt großem Wurf gab es Klein-Klein. Im Prinzip waren sie sich ja treu geblieben, aber die Details enttäuschten mich. So ging ich auf Distanz, wenn auch wohlwollende Distanz.
Eines Tages präsentierten die Freien Wähler erneut ein Mitglied, das wie die kesse Frau Pauli mediale Aufmerksamkeit weckte. Zweierlei machte der
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