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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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leidenschaftlich geliebt. Verstört über die Trennung von Tristan, war sie sehr froh, dass ich gekommen war.
    Als Celestina sich im Schlaf gegen mich drängte, legte Menandros sich vorsichtig auf das Bett, glitt ganz nah heran und umarmte sie – als hätte er sie geliebt.
    Ich wagte nicht mich zu bewegen und blinzelte in die Finsternis.
    Was tat er denn?
    Tief atmete er den Duft ihres Haares ein, küsste ihre Schulter, streichelte sie leise wie ein Windhauch von der Lagune.
    Wie ein stechender Schmerz durchzuckte mich ein Gedanke: Wie oft hatte er in den vergangenen Nächten schon neben uns gelegen, wenn wir fest schliefen? Wie oft hatte er uns schon unbemerkt von der offenen Schlafzimmertür aus beobachtet, wenn wir uns geneckt, gestreichelt, geküsst … wenn wir uns geliebt hatten? Wie oft hatte er gelauscht, wenn wir eng umschlungen über unser Glück und unser gemeinsames Leben gesprochen hatten?
    Wie sehr er sich nach Liebe sehnte!
    Was sollte ich nun machen? So tun, als würde ich ihn nicht bemerken, obwohl er doch nicht einmal eine Armlänge von mir entfernt lag? Nein, das konnte ich nicht!
    Tief atmend drehte ich mich zu Celestina um und legte meinen Arm um sie.
    Menandros ließ sie los, verharrte einen Herzschlag lang reglos auf dem Bett und wartete ab, ob ich aufwachen würde. Als ich ruhig weiterschlief, erhob er sich und schlich aus dem Schlafzimmer. Die Tür ließ er nur angelehnt.
    Eine Weile lag ich da und lauschte in die Finsternis.
    Leises Schluchzen.
    Um Celestina nicht zu wecken, setzte ich mich vorsichtig auf. Dann glitt ich aus dem Bett und schlich zur halb offenen Tür der Bibliothek.
    Dort saß Menandros im Dunkeln und weinte leise.
    Was sollte ich tun? Ihn trösten? Oder in Celestinas Armen seinem Schluchzen lauschen? Nein, das konnte ich nicht ertragen!
    Leise schlich ich zur Treppe und huschte die Stufen hinunter. Die Tür zu seinen Räumen war unverschlossen, und so trat ich ein und ging hinüber zu seinem Arbeitstisch, auf dem die geheimnisvolle Ikone lag. Wieso verbarg er sie vor mir?
    Vorsichtig zog ich das Tuch von dem kleinen Gemälde, doch in der Dunkelheit konnte ich nicht erkennen, wen es darstellte.
    Ich brauchte Licht.
    Tastend fand ich eine Kerze und entzündete sie.
    Dann starrte ich ungläubig auf die Ikone: Es war Celestina!
    »Gefällt es dir?«
    Erschrocken fuhr ich herum: Menandros stand drei Schritte hinter mir. Sein Eintreten hatte ich nicht bemerkt.
    »Ja, sehr«, gestand ich verlegen.
    Er kam näher und trat dicht neben mich, bis wir uns berührten. »Dann will ich es dir schenken.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich durfte das Bild nicht annehmen. Und doch konnte ich das Geschenk nicht ablehnen, ohne ihn zu beleidigen.
    »Du warst eben wach, nicht wahr? Du weißt, dass ich neben euch gelegen habe.« Als ich nickte, fragte er schüchtern: »Wirst du es ihr erzählen?«
    Ich zögerte, dann schüttelte ich den Kopf.
    »Ich sehne mich so sehr nach ihrer Wärme und ihrer Nähe. Aber ich verspreche dir: Ich werde es nie wieder tun!«

· C ELESTINA ·
K APITEL 11
    »Wenn du mich suchst, Celestina, dann weißt du, wo du mich finden kannst: in der Hölle!«, hatte er gesagt, bevor er ging.
    In der Hölle!
    Die Trennung von Tristan vor zwei Tagen hatte mir das Herz zerrissen, und es tat noch immer höllisch weh.
    Ich liebte ihn doch!
    So viel hatte er für mich getan! Als ich todkrank im Bett lag, war er nicht von meiner Seite gewichen. Als ich in jener furchtbaren Nacht zu ihm floh, hatte er mir zur Flucht nach Athen verholfen. Und als ich nach drei langen Jahren zurückkehrte, stand er winkend am Molo und erwartete mich, als hätte ich ihn erst Stunden zuvor verlassen.
    So viel Geborgenheit, so viel Zärtlichkeit, so viel Liebe, so viel Glück hatte er mir geschenkt!
    Unsere Reise durch den Schneesturm nach Florenz, die leidenschaftlichen Nächte im eiskalten Palazzo Medici, der nächtliche Ringtausch bei Kerzenschein in der kleinen Kapelle, unser Schwur, besiegelt mit einem Kuss …
    »Neunzehn Jahre«, hatte Tristan beim Abschied gesagt. »Das ist unser ganzes Leben.«
    Heiße Gefühle stiegen wieder in mir hoch.
    Ich wollte ihm doch niemals wehtun!
    Besorgt beobachtete mich Elija, während er die Gondel durch den Canalazzo ruderte.
    Als ich gestern Abend vom Essen bei Antonio Grimani zurückkehrte, war er da gewesen, hatte er mich umarmt und getröstet. Dann hatten wir uns geliebt und waren eng umschlungen eingeschlafen.
    Wie sehr ich ihn liebte! Und wie ich

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