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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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des Consiglio dei Dieci klage ich dich des Ritualmordes an einem christlichen Kind an.
    Bitte leiste keinen Widerstand, Elija, und komm mit mir!«

    Atemlose Stille.
    Zwei Bewaffnete betraten auf Tristans Wink das Schlafzimmer, packten mich an den Armen und rissen mich vom Bett fort.
    »Keine Gewalt!«, befahl Tristan in scharfem Ton. Sogleich ließen mich seine Häscher los und wichen einen Schritt zurück.
    Judith umarmte ihre schluchzende Tochter.
    »Tristan!« Celestina keuchte vor Schmerz auf. »Wir waren vor einer halben Stunde in der Synagoge. Ich habe den gekreuzigten Jungen gesehen! Es war so furchtbar!« Sie rang nach Atem. »Die Wehen haben eingesetzt.«
    »O nein!«, stieß er hervor, ließ sich auf das Bett sinken, wo ich zuvor gesessen hatte, und nahm ihre Hand. Dann wandte er sich zu mir um. »Wo ist David?«
    »Keine Ahnung«, erwiderte ich. »Er wollte ein Medikament holen und so schnell wie möglich nachkommen.«
    Tristan rang mit sich: Was sollte er tun?
    Ich trat neben ihn. Die Bewaffneten wollten mich festhalten, doch er winkte ab.
    »Tristan, du weißt, dass ich diesen Mord nicht begangen habe.«
    Er senkte den Blick. »Nein, natürlich nicht! Es tut mir Leid, Elija, aber ich kann nicht anders handeln. Es ist eine Anklage gegen dich erhoben worden, die ich als Vorsitzender des Zehnerrates nicht einfach ignorieren kann.«
    Er konnte mir nicht in die Augen sehen!
    Ich legte ihm die Hand auf die Schulter. »Tristan, tu mir einen Gefallen: Wenn die Bewaffneten mich ins Gefängnis bringen, dann bleib bei Celestina, bis David kommt. Sie hat furchtbare Schmerzen. Versprich mir, dass du sie nicht allein lässt!«
    Erstaunt sah er zu mir hoch. Dann nickte er.
    »Elija, ich verspreche dir: Ich werde Celestina nicht verlassen! Niemals, so lange ich lebe!«

    Krachend fiel die Tür der Zelle hinter mir ins Schloss, und es war finster um mich.
    Schlüsselgerassel.
    Schritte, die sich entfernten.
    Stille.
    In der undurchdringlichen Dunkelheit tastete ich mich durch die Zelle, die Salomon Ibn Ezra vor mir bewohnt hatte. Meine Finger glitten über die feuchten Holzwände – die Pozzi befanden sich auf der Höhe des Meeresspiegels –, dann fand ich das Regalbrett an der rechten Wand.
    Keine Kerze!
    In der Finsternis betete ich wie Jeschua am Kreuz den zweiundzwanzigsten Psalm:
    »Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen? Mein Gott, ich rufe bei Tage, und Du antwortest nicht, und bei Nacht, und finde keine Ruhe. Auf Dich vertrauten unsere Väter, und Du hast sie gerettet. Zu Dir schrien wir um Hilfe! Ich werde verhöhnt und verachtet. Alle, die mich sehen, spotten über mich, verziehen ihre Lippen und schütteln den Kopf. Sei nicht fern von mir! Mein Gott bist Du!«
    Wie oft hatte ich im Kerker in Córdoba diesen Psalm gebetet? Jede Nacht vor dem Einschlafen. Siebenhundertachtundfünfzig Nächte lang.
    Wie lange würde ich in den Pozzi bleiben müssen? Würde der Consiglio dei Dieci mich foltern lassen, um ein Geständnis zu erzwingen? Tristan wusste doch, dass ich das Kind nicht gekreuzigt hatte!
    Oder ging es ihm gar nicht um das Kind, sondern um mein Buch? Das häretischste und gefährlichste Buch, das jemals geschrieben wurde – so hatte der Doge es genannt.
    Aber noch beunruhigendere Gedanken quälten mich:
    Wo war David? Warum war er nicht gekommen? Lebte er noch?
    Und wie ging es Celestina? Würde unser Kind in dieser furchtbaren Nacht auf die Welt kommen?
    Tristan hatte mir sein Wort gegeben: »Ich werde Celestina nicht verlassen! Niemals, so lange ich lebe!«
    Seine Worte hatten mich zutiefst erschreckt.
    Würde er mich opfern? Tristan hatte viel zu gewinnen: Celestina, die Liebe seines Lebens. Und mein Kind, das sein Sohn und Erbe sein könnte.
    Wenn ich nach einem spektakulären Prozess, der Tristans Macht und Ansehen in Venedig stärkte, hingerichtet wäre: Würde Celestina nicht zu Tristan zurückkehren, ihn heiraten und mit ihm gemeinsam unser Kind erziehen? Wenn ich tot war, hatte sie doch niemanden mehr außer ihm. Und sie liebte ihn noch immer.
    Tristan wird Netanja … Alessandro als seinen Sohn und Erben legitimieren – er kann keine anderen Kinder haben. Er wird Alessandro lieben wie sein eigenes Kind, und mein Sohn wird niemals erfahren, wer sein Vater war! Und weshalb er hingerichtet wurde.
    Gianni wird keinen Augenblick zögern, Celestinas Exkommunikation feierlich aufzuheben, Celestina und Tristan in einer prunkvollen Zeremonie in der Sixtina in Rom zu trauen und den kleinen

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