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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Erachtens ein Handbuch für jüdisch-christliche Glaubensdisputationen geschrieben, eine Verteidigung des jüdischen Glaubens. Das zwölfte Kapitel enthält ein hebräisches Evangelium, dessen Herkunft ich nicht kenne, denn ein hebräischer Urtext des Matthäus-Evangeliums ist nicht überliefert. Der griechische Text, mit dem wir gestern gearbeitet haben, ist der älteste.
    Und der hebräische Wortlaut scheint nicht nur in Details von dem griechischen abzuweichen, sondern auch in theologisch relevanten Versen. So wie: ›Tu es Petrus, et super hanc petram aedificabo ecclesiam meam‹, was bei Ibn Shaprut heißt: ›Du bist ein Stein. Und auf dir will ich mein Haus des Gebets bauen.‹ Eine Synagoge – keine Kirche!
    Und nach deinem Vortrag vor den Humanisten zu Jesus als Messias vermute ich, dass dieses Buch noch mehr gefährlichen theologischen Sprengstoff enthält.«
    Er nickte, offensichtlich beeindruckt von meinen Schlussfolgerungen.
    »Wie viele Abweichungen gibt es zwischen der hebräischen und der lateinischen Niederschrift?«, wollte ich wissen.
    »Fast jeder Satz des Evangeliums wurde entweder missverstanden, falsch abgeschrieben, falsch übersetzt oder aus theologischen und machtpolitischen Gründen verändert.«
    »O mein Gott!« Ich ließ mich auf meinem Stuhl zurücksinken.
    »Ja, ich glaube, das hätte Rabbi Jeschua auch gesagt: Was habt ihr aus meinen Worten gemacht? Ein Schwert, um mein Volk damit zu richten.«
    »Erzähl mir von Shemtov Ibn Shaprut!«
    Elija lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, nahm den Prüfstein auf die Knie und schlug die erste Seite auf. Seine Finger glitten über die hebräischen Buchstaben, als er weitersprach:
    »Rabbi Shemtov war ein Medicus. Die Disputation mit Kardinal Pedro de Luna über die Erbsünde und die Erlösung durch Jesus Christus fand am 26. Dezember 1375 in Gegenwart mehrerer Bischöfe und christlicher Theologen in Pamplona statt. Der Prüfstein entstand in den Jahren danach und wurde von ihm mehrmals überarbeitet. Es ist eine Streitschrift gegen das Christentum.«
    Er schloss Shemtovs Buch auf seinen Knien, lehnte es gegen seine Brust und hielt es mit beiden Armen fest. Dann sah er mich an. »Celestina, ich habe dir noch nicht alles erzählt, als ich dir sagte, dass ich Shemtovs hebräisches Evangelium mit den griechischen und den lateinischen Texten vergleichen will.«
    Ich hielt die Luft an. »Was hast du vor?«
    »Ich will die griechischen Evangelien mithilfe von Shemtovs Evangelium ins Hebräische rückübersetzen, um die ursprünglich jüdischen Gedanken Jeschuas zu rekonstruieren. Dann will ich diese neuen jüdischen Evangelien in die lateinische Sprache übertragen, damit jedermann sie lesen kann. Diese Evangelien sollen die Grundlage für ein Buch sein, das ich schreiben will: Das verlorene Paradies .«
    Mir fehlten die Worte. Die ganze Zeit war ich davon ausgegangen, er wolle das hebräische Evangelium in Shemtovs Buch mit dem griechischen vergleichen. Bei den vielen Abweichungen zwischen beiden Texten war das eine Arbeit von mehreren Wochen. Aber was Elija vorhatte, war sehr viel bedeutender: alle vier Evangelien ins Hebräische und dann zurück ins Lateinische zu übersetzen und durch ein Buch ausführlich zu kommentieren. Das war eine Arbeit von vielen Monaten … von Jahren … eine Lebensaufgabe!
    »Wenn Das verlorene Paradies vollendet ist, will ich nach Rom reisen und meine Thesen auf dem Laterankonzil diskutieren, das seit drei Jahren tagt. Mit den Kardinälen und dem Papst.«
    Um Gottes willen!, dachte ich. Du willst nach Rom, Elija, so wie Giovanni Pico mit seinen Conclusiones unter dem Arm nach Rom ging, um darüber öffentlich zu disputieren: Er wurde exkommuniziert, sein Buch verbrannt – und dabei hatte er den christlichen Glauben nicht infrage gestellt! Was droht dir, Elija?
    Und dann musste ich plötzlich lachen.
    Irritiert blickte er mich an. »Was ist denn?«
    »Bitte entschuldige«, kicherte ich. »Ich sehe gerade vor mir, wie wir deine Thesen an die Kirchenportale in Rom nageln: ›Jesus hat die Kirche nicht gegründet‹ oder ›Jesus hat die Taufe im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes nicht befohlen und nie selbst getauft‹.
    Und ich stelle mir die entsetzten Gesichter der Kardinäle und Bischöfe vor, wenn Rabbi Elija sie über die wahre Predigt des Rabbi Jeschua belehrt. Dieses einmalige Ereignis in der Kirchengeschichte will ich mir auf keinen Fall entgehen lassen!«
    »Warum?« Er ließ sich von

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