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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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zu lassen. Wir haben uns die Hand gereicht.
    Seit diesem Tag haben wir kaum ein Wort gewechselt. Wir sehen uns anlässlich der Staatsbankette im Dogenpalast, begegnen uns während der Sonntagsmessen in San Marco, aber wir sprechen nicht miteinander. Dafür hassen wir uns viel zu sehr!«
    »Und Tristan?«

    Am frühen Morgen brachte Elija mich zum Campo San Angelo. Von dort war es nicht weit bis zu meinem Haus.
    An der Kirche San Stefano blieben wir stehen.
    Der Mond war untergegangen, und die Sterne funkelten am samtschwarzen Nachthimmel.
    Ich ergriff seine Hand. »Schalom, mein Liebster!«
    »Darf ich morgen zu dir kommen? Ich möchte mit der Übersetzung des aramäischen Papyrus beginnen …«
    »Ja, Elija, komm! Ich liebe dich!«
    »Und ich liebe dich, Celestina.«
    Er umarmte mich, und wir küssten uns leidenschaftlich. Dann trat er einen Schritt zurück, ohne meine Hand loszulassen. Noch einmal zog er mich an sich, um mich zart zu liebkosen, dann riss er sich von mir los. Ich sah ihm nach, bis er den Campo San Angelo überquert hatte und in der Gasse verschwand, wo ich vier Nächte zuvor überfallen worden war.
    Seufzend drehte ich mich um und schritt langsam über den Rio San Stefano hinweg zum Campo.
    Ich musste nachdenken.
    So viel war geschehen seit der letzten Nacht, die ich mit Elija im ›Königreich der Himmel‹ verbracht hatte.
    Wie erschrocken war ich gewesen, als plötzlich Tristan vor der Tür stand. »Celestina, bist du hier? Ich muss dringend mit dir sprechen!«, hatte er geflüstert. Ich hatte gezittert vor Angst, doch die Tür war verriegelt gewesen, und nach einer Weile war Tristan wieder gegangen. Was hatte er mir sagen wollen? Wieso war er nach dem Prozess und dem Besuch in meinem Haus in den Dogenpalast zurückgekehrt, um mit mir zu sprechen?
    Die Antwort erhielt ich, als ich nach Hause zurückkehrte. Tristan hatte mir eine Nachricht hinterlassen, eine handschriftliche Notiz, die ich auf meinem Schreibtisch fand:
    »Celestina, ich fürchte um dein Leben. Giovanni Montefiore ist in Venedig!«
    Ich war entsetzt gewesen, als ich …
    Waren da nicht Schritte?
    Hinter mir, in der Gasse?
    Ich blieb stehen, hielt den Atem an und lauschte.
    Stille.
    Hastig zog ich mir die Schuhe aus und huschte in die Schatten auf der Westseite des Campo. Lautlos schlich ich an den Mauern entlang. Ob mein Haus noch überwacht wurde? Haltlos irrte mein Blick durch die Finsternis.
    Auf den Stufen der Kirche San Vidal, nur wenige Schritte von meinem Palazzo entfernt, kauerte ein Mann.
    Ein Bettler?
    Oder einer von Montefiores Assassini?
    Mit meinem Dolch in der Hand huschte ich an den Hausfassaden entlang in Richtung des Canalazzo.
    Nur noch wenige Schritte, und ich hatte das Gartentor der Ca’ Tron erreicht!
    Der Mann am Kirchenportal hatte mich bemerkt. Er sprang auf und kam auf mich zu.
    Trotz der Schmerzen in meinem verletzten Bein stürmte ich los, quer über den Platz, riss das Gartentor auf, warf es hinter mir ins Schloss, rannte durch den Garten, erreichte das Portal des Palazzos, öffnete mit zitternden Händen, huschte hinein und schlug die Tür hinter mir zu. Dann sank ich mit bebenden Knien auf den Boden.
    Mein Herz raste.
    Angstvoll horchte ich in die Finsternis – im Haus waren alle Kerzen gelöscht worden. Doch alles blieb still.
    Nach einer Weile erhob ich mich und schlich mit nackten Füßen zur Treppe.
    Ich trat auf etwas Weiches. Was war das? In der Finsternis konnte ich nichts erkennen, also bückte ich mich und hob es auf. Das zarte Blütenblatt einer Rose!
    Dann erst fiel mir der intensive Rosenduft auf, den ich in meiner Panik nicht bemerkt hatte.
    Ich machte einen Schritt vorwärts und trat auf eine Rosenblüte. Dann auf noch eine und eine weitere.
    Durch die Dunkelheit tastete ich mich zum silbernen Leuchter auf dem Tisch neben der Stiege und entzündete die Kerzen.
    Die Treppe war mit Rosenblüten übersät. Es war wunderschön!
    Mit dem Kerzenleuchter in der Hand stieg ich die blütenbedeckten Stufen empor zu meinem Schlafzimmer.
    Ich öffnete die Tür – und erschrak.
    Tristan!
    Nackt lag er in den Kissen. Er hatte sich in das seidene Bettlaken gewickelt. Mein Blick huschte durch den Raum. Vor dem Fenster stand ein Tisch, zum erotischen Abendessen gedeckt. Die Kerzen in den silbernen Leuchtern waren heruntergebrannt. Das Essen – Austern, Langusten und andere aphrodisierende Köstlichkeiten – war längst kalt geworden.
    Tristan hatte auf mich gewartet!
    Dieses intime Abendessen zu

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