Die Evangelistin
zweit konnte doch nur bedeuten …
Ich trat an den Tisch heran.
Mein Topasring! Ich hatte ihn abgenommen, als ich zu Elija ging.
Mit zitternden Fingern griff ich nach dem Ring, der neben seinem auf dem Tisch lag. Die beiden Ringe waren durch ein weißes Seidenband miteinander verbunden.
Tristan wollte mir beim Abendessen einen Heiratsantrag machen! Den ganzen Abend hatte er auf mich gewartet, und als ich nicht kam, war er ins Bett gegangen.
Tristan, ich liebe dich! Ich will dich nicht zurückstoßen und dir wehtun, nach allem, was in den letzten Jahren zwischen uns geschehen ist. Aber ich kann nicht anders.
Was sollte ich denn nun tun?
Sollte ich zu Elija zurückkehren, die Nacht in seinem Bett verbringen und dabei an Tristan denken? Oder sollte ich mich zu Tristan legen, mich von ihm lieben lassen und mich nach Elija sehnen, während er mir einen Heiratsantrag machte?
Mein Gott, warum tust Du mir das an? Warum reißt Du mich hinauf in den Himmel der Glückseligkeit, um mich im nächsten Augenblick in die tiefste Hölle der Gewissensqualen stürzen zu lassen? Warum, mein Gott, lässt Du mich so leiden?
Ich wollte … ich durfte Tristan nicht verlieren! Uns verband mehr als nur eine weiße Seidenschleife.
Ich löste das Band, das die beiden Ringe zusammenhielt, und steckte mir meinen Topasring wieder an den Finger.
Während er auf mich wartete, hatte Tristan die Karaffe mit dem schweren Montepulciano geleert – er schlief fest. Ich nahm seine Hand und streifte ihm den Ring wieder über, den ich ihm in Florenz geschenkt hatte.
Dann schlüpfte ich nackt unter das Laken.
Er schlug die Augen auf. »Celestina! Ich habe die ganze Nacht auf dich gewartet. Wo warst du denn? Ich habe mir solche Sorgen ge…«
Ich küsste ihm die Worte von den Lippen und drückte ihn in die Kissen zurück.
»Menandros sagte, er wüsste nicht, wo du wärst. Aber das glaube ich ihm nicht. Menandros weiß immer, wo du bist und was du tust. Er liebt dich.«
»Tristan, ich habe über uns beide nachgedacht«, gestand ich.
»Das habe ich auch.« Dann erst bemerkte er den Ring an seinem Finger. Einen Herzschlag lang schloss er die Augen. »Du hast dich also entschieden.«
»Wir werden immer Freunde bleiben.«
»Aber … unser Kind!«
»Ich bin nicht schwanger.«
Er ließ sich in die Kissen zurücksinken. »Ich hatte so sehr gehofft, dass du schwanger wärst. Dass wir ein Kind haben könnten. Dass du mich heiraten würdest.
Ich habe doch nur dich!« Er schlang seine Arme um mich und zog mich an sich. »Ich will dich nicht noch einmal verlieren, wie damals, als du in jener furchtbaren Nacht aus Venedig fliehen musstest. Als ich am Molo stand und dein Schiff nach Athen ablegte, da dachte ich, ich würde dich nie wiedersehen.
Nach dem Tod meines Vaters warst du die Einzige, die ich noch hatte. Wir waren beide allein und haben einander getröstet. Dann bist du krank geworden und beinahe gestorben. Drei Tage lang warst du dem Tod näher als dem Leben. Ich lag neben dir im Bett und habe mit dir geredet, obwohl du mich nicht hören konntest. Die ganze Zeit hatte ich furchtbare Angst, du könntest sterben, während ich neben dir schlief. Ich war so verzweifelt … und so glücklich, als du die Pest überlebt hattest. Und dann hat Antonio dich mir fortgerissen. Wie ich ihn gehasst habe! Wie einsam ich in jenen drei Jahren ohne dich war! Celestina, ich will dich nicht ein drittes Mal verlieren! Ich liebe dich!«
Es tat mir weh, den sinnlichen, temperamentvollen und lebensfrohen Tristan so tief verletzt zu sehen.
Wir waren so glücklich gewesen. Was tat ich ihm an? Ich liebte ihn doch auch!
»Du wirst mich nicht verlieren, Tristan. Ich verspreche dir: Wie du für mich da warst, werde ich immer für dich da sein.«
»Und ich werde dich lieben und ehren, bis der Tod uns trennt«, wiederholte er sehr bewegt seinen Schwur jener Nacht in Florenz, als wir die Ringe tauschten. »Und jeden Tag meines Lebens werde ich um dich kämpfen.«
»Celestina?«
Gedankenverloren starrte ich auf die Zeilen meines Manuskriptes, die ich zuletzt geschrieben hatte.
Tristan war im Morgengrauen gegangen. Er musste sich auf den Inquisitionsprozess gegen den Juden Salomon Ibn Ezra vorbereiten, der in der nächsten Nacht fortgesetzt werden sollte.
Was tat ich Tristan an? Und Elija? Konnte ich mein Handeln eigentlich rechtfertigen – wenn schon nicht vor ihnen, so wenigstens vor mir selbst?
»Celestina! Bitte entschuldige …«
Ich durfte Tristan nicht
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