Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die ewige Bibliothek

Die ewige Bibliothek

Titel: Die ewige Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
Vom Netzwerk:
»weil es Tibetanisch ist und nicht Isländisch. Offensichtlich stammt es nicht vom Autor selbst, sondern von den Blockherstellern – aber hier steht, dass dies der vorletzte Band einer achtzehnbändigen Reihe ist.«
    Die beiden Männer sahen einander gleichzeitig an und blickten dann zu Juda, der nachdenklich wirkte. »Das könnte stimmen«, sagte er, »jene Reihe, aus der ich diesen Band genommen habe, könnte diesen Umfang gehabt haben. Sie waren dem Alter nach aufgereiht, mit dem Ältesten angefangen, und weil das hier der letzte Band war, nehme ich an, dass er auch der Jüngste ist.«
    Michael und Galens Kiefer mahlten, doch es kamen keine Töne heraus. Sie waren vollkommen fassungslos. Der Vizerektor und der Historiker fielen nacheinander auf die Stühle beiderseits des Tisches, auf dem das anscheinend doch nicht so einmalige Buch lag.
    Nach längerem Schweigen ergriff Michael das Wort. » Das werden Sie erklären müssen, Juda, und zwar in allen Einzelheiten.«
    »Richtig«, stimmte Galen zu. »Ich bin genau wie er an phantastische Geschichten gewöhnt – und genauso in der Lage zu erkennen, wann sie zu einer Farce werden.«
    Juda senkte langsam und majestätisch seinen Kopf. Ein Ausdruck von Überheblichkeit?, fragte sich Michael. Die Annahme einer Herausforderung? Oder lediglich das Eingeständnis der Unglaublichkeit jener Geschichte, die er noch erzählen würde?
    »Wie ich schon sagte«, begann Juda mit weicher und monotoner Stimme, »es schien sich um den jüngsten der Bände zu handeln, und zwar mit Abstand. Wenn es insgesamt achtzehn gewesen sein sollten, worauf der Titelaushänger offenbar hinweist, dann stand er vielleicht am falschen Platz –  genau lässt sich das nicht sagen. Obwohl die Markierungen an den Regalen, die Überreste eines rudimentären Archiviersystems, darauf schließen ließen, dass sie in Untergruppen von etwa zwanzig angeordnet worden waren, die insgesamt eine viel größere Reihe von etwas über sechshunderttausend Bänden bildeten.«
    Michael straffte sich mit einem verächtlich prustenden Lachen. »Ach ja? Die Geschichten der Edda wurden irgendwann zwischen dem neunten und vierzehnten Jahrhundert niedergeschrieben und deckten eine vergleichbare Zeitspanne ab. Wenn man schätzt, dass das Buch, das Sie uns gebracht haben, der jüngste von auch nur tausend Bänden sei, so ist das eine überaus naive Ansicht.«
    »Angesichts Ihrer Bildung und Neigungen, Professor Langbein«, sagte Juda, »ist das für sich genommen eine überaus naive Ansicht. Was alte Schriftstücke angeht, so ist die Ur-Edda nur ein eher bescheidener Kandidat, wenn auch ein ungewöhnlich interessanter – und sie ist möglicherweise älter als die allgemein bekannten Kodizes. Nehmen Sie die Bibel zum Beispiel. Sie enthält annähernd das, was die Abendländer als die ersten sechshundert Jahre zivilisierter Menschheitsgeschichte ansehen – und dennoch gibt es, abgesehen von einigen zerfallenden Wälzern fragwürdiger Abstammung und einem Rest Pergament, der in einer Schäferhöhle gefunden wurde, keinen stichhaltigen Beweis. Und trotzdem, wenn alle Schriften aus dieser Epoche irgendwie erhalten geblieben wären, unbeschädigt und unverändert, wie viele Bände würden sie denn Ihrer Meinung nach füllen?«
    »Sprechen wir von historischen Schriften oder religiösen?«
    »Worin liegt der Unterschied? War Jesus eine religiöse oder eine historische Figur? Wenn ich einen Geschichtskurs gebe, in dem es um Ereignisse aus dem vierten Jahrhundert geht, mit wessen Geburtsdatum beginnt Ihrer Meinung nach die Skala, die die Daten liefert?«
    »Ich verstehe, worauf Sie hinaus wollen«, räumte Michael ein. »Sie sagten, es gab vielleicht noch siebzehn oder zwanzig weitere Bücher neben der Ur-Edda?«
    »Ja. Ich konnte nur die ersten sieben Bände der Reihe lesen, angefangen mit dem Jüngsten, und das hier war der einzige auf Isländisch oder Deutsch.«
    »Wie waren Sie in der Lage, mehr als nur einen oberflächlichen Blick darauf zu werfen?«, fragte Michael. »Wahrscheinlich waren doch alle in Sprachen geschrieben, die entweder ausgestorben oder Ihnen unbekannt sind?«
    »Offensichtlich konnte ich sie nicht wirklich übersetzen. Aber meine Studien und meine Reisen haben mir genug sprachliches Grundwissen vermittelt, um zumindest bruchstückhafte Informationen aus einer Anzahl von Sprachen herauszuholen, mit denen ich nicht vertraut bin.«
    »Also gut«, sagte Michael. »Lassen wir das für den Augenblick einmal so

Weitere Kostenlose Bücher