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Die ewige Bibliothek

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Titel: Die ewige Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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vierhunderttausend Jahren enthielt. Darin fanden sich jedoch keine Spuren von Keilschrift mehr, und das Maya oder Olmekisch war mit einer minimalistischen Sprache verfälscht, die ich überhaupt nicht einordnen konnte – es gab keine Bezugsgrundlage. Diese Sprache hatte einen Satzbau, der auf jeden Fall älter sein musste als jede andere phonetische Sprache, einschließlich des Maya – aber des Maya von vor einigen tausend Jahren, und nicht eines Maya, das hunderttausende von Jahren alt war.«
    Michael schüttelte den Kopf. »Sie müssen sich verlesen haben«, sagte er. »Eine Schriftkultur setzte nicht vor der Zeit um dreitausenddreihundert vor Christus ein. Allein die Spekulation, dass eine Schrift der Maya oder Olmeken älter als fünftausend Jahre sein könnte, ist einfach… Das ist ein weit verbreiteter Anfängerfehler – Sie haben einfach den Zeitrahmen falsch verstanden, und das bringt Ihre ganze Schätzung durcheinander. Oder vielleicht haben Sie die Formen auch völlig verkannt.«
    »Wenn Sie bedenken, dass ich genug Isländisch verstehe, um Ihnen die Ur-Edda zu bringen, und angesichts Ihrer Kenntnis über meine, nun, ziemlich außergewöhnlichen akademischen Fähigkeiten: Bezweifeln Sie wirklich, dass ich in der Lage bin, alte Handschriften zumindest annähernd zu datieren?«
    »Datieren nicht«, sagte Michael. »Übersetzen schon.«
    »Dann nehme ich also an, dass Sie es einfach für einen Übersetzungsfehler halten würden, wenn ein Abschnitt eines Schriftstücks, das ich mit Sicherheit auf ein Alter von fast einer halben Million Jahre datiert habe, in der Übersetzung die Gründung und den Aufstieg einer Stadt mit dem Namen Londonium beschreibt?«
    Ein Licht flammte in Michaels Augen auf und erlosch ebenso schnell wieder. Das konnte einfach nicht stimmen - Londonium war der Name der römischen Siedlung, die später zur britischen Hauptstadt wurde und selbst den großzügigsten Auslegungen zufolge nicht älter als zwei oder dreitausend Jahre war. Fügte man dann noch das bunte Mischmasch aus sumerischer Keilschrift, Piktographie der Maya und tibetanischer Drucktechnik hinzu, dann klang die Diskussion weniger nach Joseph Campell, als eher nach Twilight Zone.
    Galen schnaubte verächtlich. »Das ist dann wohl das Ende der Illusionen. Die Schriftstücke, die Sie gelesen haben, waren offensichtlich frei erfunden, und ich weiß nicht, was für einen Schwindel Sie hier abziehen wollen.«
    Er stand auf, um zu gehen, hielt jedoch inne, als Michael ihm einen Arm um die Schultern legte. »Warten Sie noch einen Moment, Galen«, sagte er beschwichtigend. »Ich gebe zu, dass eine Menge von dem Zeug wie Humbug klingt, aber ich bin mir einer Sache ganz sicher – das Buch, das Juda uns im Nachtclub gegeben hat, ist authentisch. Es ist wenigstens tausend Jahre alt und enthält Informationen über eine Kultur, die mindestens genauso alt ist, wenn nicht sogar älter. Was immer er uns noch zu sagen hat, es lohnt sich zuzuhören, wenn auch nur aus diesem Grund. Wenn er fertig ist, können wir beurteilen, was davon Mist ist und was die Welt auf den Kopf stellen wird. Einverstanden?«
    Galen, der vor Ärger zitterte, hätte fast etwas Unhöfliches erwidert, um dann aus der Wohnung zu stürmen. Doch sein Blick fiel auf die offenen Seiten des Buches, das vor ihnen lag, und auf die blasse, krakelige, hochdeutsche Handschrift, die ihren Rand säumte. Er würde seine Seele verwetten, dass sie von Wagner stammte, denn das Studium des legendären Komponisten hatte er zu einer seiner wichtigsten Lebensaufgaben gemacht. Und die Schrift musste einfach authentisch sein, oder sie war die beste Fälschung, die er je gesehen hatte. Außerdem fühlte er sich dem schlaksigen Historiker, der ihn so gelassen ansah, merkwürdig verbunden. Sie hatten beide ihre Gründe, an die Echtheit der Handschrift glauben zu wollen – und diese genügten, um aller Vernunft zum Trotz daran zu glauben; eine Situation, in die sie durch Judas wilde Geschichte geraten waren. Wenn Michael also gewillt war, sie sich zu Ende anzuhören, dann sollte er selbst das wohl auch tun – besonders wenn noch immer die Möglichkeit bestand, dass das Buch tatsächlich echt war.
    Galens Schultern entspannten sich. Er wandte sich um und setzte sich. »Also gut«, sagte er mit einer Stimme, in der die eiserne Zurückhaltung einer Autoritätsperson mitschwang, die er als Vizerektor schließlich war – Juda und Michael waren beide nur Professoren. »Ich will den Rest der

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