Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
und mächtigste Herrscherhaus Europas repräsentierte. In England spielten seine jüdische Herkunft und seine kürzlich erfolgte Konversion überhaupt keine Rolle, denn an diesem Königshof war jeder aus dem Nichts gekommen und hatte seinen Namen und seine Verwandtschaft mindestens einmal geändert. Ja, England sagte de Puebla zu, und er würde alles daransetzen, bleiben zu können. Und wenn er aus diesem Grunde dem englischen König ein wenig besser dienen musste als dem spanischen, so war dies nach seinem Dafürhalten nur ein kleines Zugeständnis.
Heinrich erhob sich vom Thron und gab das Zeichen, dass die Diener abdecken konnten. Diese räumten die Tische ab und fegten die Tafel, während Heinrich zwischen seinen Höflingen umherging, hie und da leutselig ein Wort wechselnd, immer noch der Befehlshaber seiner Mannen. Die Günstlinge des Tudor-Hofes waren ebenjene Glücksritter, die dem König mit ihrem Schwert zur Seite gestanden und England erobert hatten. Sie wussten, was sie ihm wert waren, und er wurde ebenso von ihnen respektiert. So gemahnte die Runde des Königs eher an den Gang des Heerführers unter seinen Soldaten als an die eines Herrschers an einem friedlichen Hofe.
Schließlich hatte Heinrich seine Runde beendet und kam zu de Pueblas Tisch. »Herr Botschafter«, grüßte er den Mann.
De Puebla verneigte sich tief. »Ich danke Euch für das vorzügliche Wildgericht«, sagte er. »Es war köstlich.«
Der König nickte. »Ich muss Euch sprechen.«
»Selbstverständlich.«
»Allein.«
Die beiden Männer spazierten in einen ruhigeren Winkel der Halle. Eben stimmten die Musiker ihre Instrumente und begannen zu spielen.
»Ich hätte einen Vorschlag, um das Problem mit der Prinzessinwitwe zu lösen«, begann Heinrich in sachlichem Ton.
»Tatsächlich?«
»Ihr mögt meinen Vorschlag ungewöhnlich finden, aber meiner Meinung nach spricht vieles für ihn.«
Endlich, dachte de Puebla. Endlich will er für Harry den Antrag machen. Ich hatte schon befürchtet, dass er sie noch nicht genug gedemütigt hätte. Ich glaubte, er wolle sie mutlos machen, damit er uns für einen zweiten Versuch in Wales das Doppelte berechnen könnte. Aber nun ist es endlich so weit. Gott hat ein Einsehen gehabt. Laut sagte er: »Ach ja?«
»Ich schlage vor, dass wir die Frage der Mitgift vergessen«, begann Heinrich. »Ihre Güter gehen in meinen Haushalt über. Ich werde ihr eine ebenso angemessene Apanage zahlen wie meiner verstorbenen Königin Elizabeth, Gott hab sie selig. Ich selbst werde die Infantin heiraten.«
De Puebla war fast zu entsetzt für Worte. »Ihr?«
»Ich. Gibt es einen Grund, der dagegen spricht?«
Der Gesandte schluckte, atmete tief durch und brachte schließlich eine Antwort heraus. »Nein, nein, zumindest ... Ich nehme an, Eure ... Verwandtschaft könnte ein Hinderungsgrund sein.«
»Ich werde mich um einen Dispens bemühen. Ihr seid doch sicher, dass die Ehe nicht vollzogen wurde?«
»Ganz sicher«, hauchte de Puebla.
»Ihr habt mir doch einmal versichert, es mit eigenen Ohren gehört zu haben?«
»Ihre Duenna sagte etwas in diesem Sinne ...«
»Dann ist es wahr«, entschied der König. »Sie waren lediglich verlobt. Kaum als Mann und Frau zu bezeichnen.«
»Ich muss Euren Antrag jedoch zunächst den spanischen Hoheiten vorlegen«, mahnte de Puebla. Verzweifelt versuchte er, Ordnung in seine verwirrten Gedanken zu bringen und sich seine Erschütterung nicht anmerken zu lassen. »Stimmt denn der Kronrat zu?«, fragte er, um Zeit zu gewinnen. »Und der Erzbischof von Canterbury?«
»Im Augenblick ist diese Angelegenheit nur uns beiden bekannt«, erklärte Heinrich großspurig. »Ich bin eben erst verwitwet, ich möchte den spanischen Majestäten versichern können, dass ich gut für ihre Tochter sorgen kann. Das vergangene Jahr ist für die Prinzessinwitwe sehr schwer gewesen.«
»Wenn sie hätte heimkehren dürfen ...«
»Jetzt besteht keine Notwendigkeit mehr dazu. Ihre Heimat ist England. Ihr Land«, erklärte Heinrich kategorisch. »Sie wird in diesem Lande Königin werden, wie es ihr von Kindesbeinen an bestimmt war.«
De Puebla vermochte kaum Worte zu finden, so sehr erschütterte ihn die Vorstellung, dass dieser alte Mann, der eben erst seine Frau begraben hatte, die Witwe seines Sohnes heiraten wollte. »Natürlich. Darf ich also den spanischen Monarchen mitteilen, dass Ihr fest entschlossen seid? Dass wir keine anderen Kandidaten in Erwägung ziehen?« Er zermarterte sich das
Weitere Kostenlose Bücher