Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
Ehemannes erblicke ich Harrys jugendlich rundes, eifriges Gesicht. Statt der scheuen, linkischen Anmut meines Mannes erkenne ich Harrys überschäumenden, stolzierenden Gang.
Erst in diesem Moment begreife ich wirklich, dass Arthur tot ist, dass er mich verlassen hat. Ich erfülle meinen Teil des Versprechens, indem ich Englands König zum Manne nehme, auch wenn es Harry ist. Hoffentlich wird auch Arthur seinen Teil erfüllen, indem er in Al-Yanna über mich wacht und auf mich wartet. Eines Tages, wenn mein Werk vollbracht ist, werde ich zu ihm kommen und das ewige Leben mit ihm teilen.
»Seid Ihr glücklich?«, fragt der Knabe an meiner Seite schreiend, um das Glockengeläut und die Jubelrufe der Menge zu übertönen. »Seid Ihr glücklich, Catalina? Seid Ihr glücklich, dass Ihr mich geheiratet habt? Seid Ihr froh, Königin von England zu sein, die Krone von mir erhalten zu haben?«
»Ich bin sehr, sehr glücklich«, versichere ich ihm. »Und Ihr sollt mich von nun an ›Katharina‹ nennen.«
»Katharina?«, fragt er ungläubig. »Wollt Ihr nicht mehr ›Catalina‹ heißen?«
»Ich bin nun Königin von England«, sage ich und denke daran, wie Arthur es sagte. »Ich bin Katharina, Königin von England.«
»Nein, so eine glänzende Idee!«, ruft er, von der Vorstellung entzückt, auch seinen Namen zu ändern. »Das ist gut. Wir werden König Heinrich und Königin Katharina sein. Sie sollen mich fortan ›Heinrich‹ nennen.«
Er ist nun König, aber er ist nicht Arthur: Er ist Harry, der wie ein Mann mit seinem erwachsenen Namen angesprochen werden will. Ich bin die Königin, und ich werde nicht mehr Catalina sein. Ich bin Katharina - englisch durch und durch, und nicht mehr das Mädchen, das einst so verliebt war in den Prinzen von Wales.
Katharina, Königin von England
S OMMER 1509
Der Hof, trunken vor Freude und berauscht von der eigenen Jugend, verbrachte einen Sommer voller Lustbarkeiten. Die Sommerreise von einem prächtigen Adelssitz zum nächsten währte zwei Monate lang. Heinrich und Katharina gingen auf die Jagd, speisten im grünen Wald, tanzten bis Mitternacht und warfen mit dem Gelde nur so um sich. Die großen, klobigen Karren mit dem Gerät des königlichen Haushaltes rumpelten über die staubigen Straßen Englands, damit das nächste Haus in Gold erstrahlen und mit den besten Wandbehängen ausgestattet werden konnte, damit das königliche Bett - das sie jede Nacht teilten - mit dem besten Leinen und den glänzendsten Pelzen bestückt war.
Heinrich wollte in dieser Zeit von Staatsgeschäften nichts wissen. Einmal schrieb er seinem Schwiegervater, wie glücklich er sei, aber seine Arbeit folgte ihm in Kisten von einem wunderschön gelegenen Landsitz zum nächsten prächtigen Stadthaus. Aufgemacht und gelesen wurden die Briefe allein von Katharina, Königin von England. Diese wies dann die Schreiber an, dem Kronrat schriftlich ihre Entschlüsse mitzuteilen, und schickte sie versehen mit des Königs Unterschrift ab.
Erst Mitte September kehrte der Hof nach Richmond zurück, und Heinrich verkündete sogleich, dass die Festlichkeiten weitergehen würden. Warum sollte das Vergnügen jemals enden? Das Wetter war schön, man konnte auf die Jagd gehen und Boot fahren, Bogenschützen- und Tennisturniere austragen, Feste und Maskenspiele aufführen. Nach Richmond strömten viele Adelige und Grundbesitzer aus alten Familien, deren Macht und Name älter und ehrwürdiger waren als diejenigen der Tudors, und neuer Adel, dessen Reichtum und Name von der Tudor-Flut emporgespült wurden. Die Sieger von Bosworth, die ihr Leben für die Tudors riskiert hatten, fanden sich plötzlich neben Neuankömmlingen wieder, die ihren Erfolg bei dem jungen Herrscher lediglich der Teilnahme an Amüsements verdankten.
Heinrich hieß jeden Gast mit argloser Freude willkommen. Wer geistreich oder gebildet oder ein begeisterter Sportsmann war, dem stand der Hof offen. Katharina hatte für jeden ein freundliches Lächeln. Nie ruhte sie, nie schlug sie eine Einladung aus. Sie machte es sich zur Pflicht, ihren jugendlichen Ehemann den lieben langen Tag zu unterhalten. Langsam, aber sicher nahm sie die Planung der Lustbarkeiten, dann die Leitung des Haushaltes, die Angelegenheiten des Königs und schließlich die Staatsgeschäfte selbst in die Hand.
***
Auf dem großen Tisch vor Königin Katharina lagen die Rechnungen des königlichen Haushaltes ausgebreitet. Ihr zur Seite standen ein Schreiber, der königliche
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