Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
Rechnungsprüfer mit seinem großen Kontobuch und die Eintreiber des Schatzamtes. Die Königin prüfte die Bücher der einzelnen Abteilungen des königlichen Haushaltes: Küche, Keller, Schneiderei, Anrichte, Bezahlung auswärtiger Diener, Ställe und Musiker. Jede Abteilung des Palastes musste ihre monatlichen Ausgaben zusammenstellen und dem Schatzamt der Königin vorlegen, so wie sie früher der Königinmutter zur Prüfung vorgelegt worden waren. Und wenn sie zu viel ausgegeben hatten, konnten sie sich auf einen Besuch des Eintreibers der königlichen Privatschatulle gefasst machen, der sie spitz fragte, ob sie ihm wohl erklären könnten, warum die Ausgaben dermaßen in die Höhe geschossen waren.
Jeder Königshof Europas hatte mit den Kosten zu kämpfen, welche die Führung der feudalen Haushalte und die nötige Zurschaustellung des Reichtums mit sich brachte. Alle Könige wollten ein großes Gefolge haben wie die Herrscher im Mittelalter, doch in der Neuzeit kamen noch Kultur, Wohlstand und Prachtbauten hinzu. Königin Katharina hatte ihre haushälterischen Fähigkeiten in schweren Zeiten erworben, als sie versucht hatte, Durham House ohne Geld wie einen königlichen Haushalt zu führen. Sie wusste auf den Penny genau, was eine Gallone Mehl kostete, sie kannte die unterschiedlichen Preise für Stockfisch und für frischen Fisch, sie wusste, dass die Weine aus Spanien um einiges billiger waren als die französischen. Strenger noch als die Königinmutter hielt Königin Katharina die Köche dazu an, mit den Lieferanten zu feilschen, um den günstigsten Preis für die Schlemmereien des Hofes herauszuschlagen.
Einmal in der Woche begutachtete die Königin die Ausgaben der einzelnen Hofabteilungen, und jeden Morgen, wenn König Heinrich auf der Jagd war, las sie die an ihn gerichteten Briefe und formulierte seine Antworten.
Es war eine gleichförmige, undankbare Arbeit, den königlichen Haushalt zu führen und die Angelegenheiten des Königs zu ordnen, doch Königin Katharina grämte sich nicht um die Stunden, in denen sie Briefe las, beim Kronrat Ratschläge einholte, Einsprüche anhörte und Meinungen gegeneinander abwog. Sie hatte erlebt, wie ihre Mutter ein Land mit Überredungskunst zu regieren vermochte. Isabella von Spanien hatte ihr Land aus rivalisierenden Fürstentümern zusammengezimmert, indem sie den Fürsten eine funktionierende und dabei billige Verwaltung anbot, ein landesweites Rechtssystem, das Ende von Korruption und Banditentum und eine unfehlbare Landesverteidigung. Und ihre Tochter erkannte sogleich, dass diese Vorteile auch auf England übertragbar waren.
Doch sie trat ebenso in die Fußstapfen ihres Tudor-Schwiegervaters, und je tiefer sie sich in dessen Staatspapiere einarbeitete und seine Briefe las, desto mehr lernte sie die Beständigkeit seines Urteilsvermögens zu schätzen. Sonderbarerweise wünschte sie sich jetzt, ihn als Herrscher besser gekannt zu haben, denn sie hätte von seinem Rat profitiert. Aus seinen Aufzeichnungen ersah sie, wie er den Wunsch der englischen Lords nach Unabhängigkeit gegen sein Bedürfnis abgewogen hatte, sie an die Krone zu binden. Schlau, wie er war, gewährte er den Lords im Norden größere Freiheit und größeren Reichtum und Status, da sie sein Bollwerk gegen die Schotten darstellten. Katharina hatte rund um den Ratssaal Landkarten der nördlichen Provinzen aufhängen lassen und wusste daher, dass die Grenzlande ein Gebiet ständiger Auseinandersetzungen und wechselnder Loyalitäten waren. Eine solche Grenze konnte nicht ausreichend gegen die Angriffe eines bedrohlichen Nachbarn gesichert werden. Sie dachte bei sich, dass die Schotten für England eine ähnliche Bedrohung waren wie die Mauren für Spanien: Das Land reichte nicht für beide. Sie mussten besiegt werden.
Sie teilte die Angst ihres Schwiegervaters vor den übermächtigen Lords am Hofe, sie verstand, dass er ihnen ihre Macht und ihren Reichtum geneidet hatte. Als Heinrich in einem überschwänglichen Moment plante, einem Mann eine großzügige Pension zu geben, wies Katharina ihn darauf hin, dass dieser Mann bereits reich war, es also keineswegs nötig hatte. Heinrich wollte ein König sein, der für seine Großzügigkeit berühmt war, für das Füllhorn, das er über sein Volk ausschüttete. Katharina jedoch wusste, dass Macht auf Reichtum folgt und dass frischgebackene Könige sowohl Reichtum als auch Macht erst anhäufen müssen.
»Hat Euer Vater Euch nie vor den Howards
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