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Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)

Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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denn kämpfen müsse. Wenn wir unter dem besonderen Segen Gottes stünden, wozu müssten wir dann noch kämpfen? Könnte Gott die Mauren nicht einfach vom Angesicht der Erde tilgen?
    »Ich bin gebenedeit, weil er mich auserwählt hat, sein Werk zu verrichten.« Sie kniete nieder und schlang ihre Arme um mich. »Du könntest ja sagen: Warum überlassen wir es nicht Gott, und er schickt den Mauren ein Unwetter?«
    Ich nickte.
    »Ich bin das Unwetter«, erklärte sie lächelnd. »Ich bin Gottes Sturm, der die Mauren vertreibt. Er hat nicht den Sturm gewählt, sondern mich. Und weder ich noch die dunklen Sturmwolken können ihre Pflicht ablehnen.«
    Ich lächele, als Heinrich sein Visier herunterklappt und sein Pferd von der königlichen Loge abwendet. Nun verstehe ich, was meine Mutter mit Gottes Unwetter gemeint hat. Gott hat mich auserwählt, Englands Sonne zu sein. Es ist meine gottgewollte Pflicht, den Engländern Glück und Wohlstand und Sicherheit zu bringen. Dieser Pflicht komme ich nach: Ich führe den König zu den richtigen Entscheidungen, ich sichere die Thronfolge, ich schütze unsere Grenzen. Ich bin die von Gott erwählte Königin. Ich lächele Heinrich zu, der auf seinem großen, glänzend schwarzen Ross langsam zum Ende der Turnierschranken reitet, ich lächele den Londoner Bürgern zu, die meinen Namen und »Gott segne die Königin!«, rufen, und ich lächele mir selbst zu, denn ich tue, was meine Mutter wünschte und was Gott verfügte - und nicht zuletzt, was Arthur wünschte, der im Jenseits auf mich wartet, in Al-Yanna, dem seligen Garten.

 
 
22. F EBRUAR 1511
 
    Zehn Tage später, auf dem Höhepunkt ihres Glückes, wurde Königin Katharina die schlimmste Nachricht ihres Lebens überbracht.
 
***
 
    Es ist schlimmer als der Tod meines liebsten Arthur. Nie hätte ich gedacht, dass mir noch Schlimmeres widerfahren könnte, doch hier ist der Beweis. Es ist schlimmer als meine Jahre der Witwenschaft und des Ausharrens, schlimmer als die Nachricht vom Tode meiner Mutter - die ausgerechnet an dem Tage starb, als ich ihr schrieb und verzweifelt um ein liebes Wort bat. Doch was ich jetzt durchleide, ist schlimmer.
    Mein Kind ist tot. Mehr kann ich nicht denken und will ich nicht hören. Ich habe mich in meinem Kummer eingesponnen. Ich nehme an, dass Heinrich da ist, zuweilen, und Maria de Salinas. Ich glaube, dass auch Lady Margaret Pole anwesend ist, und ich erblicke das untröstliche Gesicht Thomas Howards über Heinrichs Schulter ... William Compton, der seinen Herrn trösten will ... doch all diese Gesichter verschwimmen mir vor den Augen, und ich bin nicht wirklich sicher, dass sie da sind.
    Ich ziehe mich in mein Gemach zurück und befehle, dass sie die Läden zuschlagen und die Türen verriegeln. Doch es ist zu spät. Sie haben mir bereits die schlimmste Nachricht meines Lebens überbracht. Ich kann die Türen schließen, und trotzdem ist sie da. Ich kann kein Licht ertragen. Ich kann die Geräusche des alltäglichen Lebens nicht ertragen. Unter meinem Fenster höre ich das Lachen eines Pagen, und ich kann nicht verstehen, wie es noch Freude oder Frohsinn auf der Welt geben kann.
    Und der Mut, an dem ich mich lebenslang festgehalten habe, erweist sich als hauchdünner Faden, als Spinnennetz, als ein Nichts. Meine frohe Zuversicht, dass ich das Werkzeug Gottes bin und er mich vor aller Unbill schützt, ist nichts weiter als eine Illusion, ein Ammenmärchen. In der Düsterkeit meines Gemachs versinke ich in die Schwermut, die auch meine Mutter befiel, nachdem sie ihren Sohn verloren hatte, die Schwermut Juanas nach dem Tode ihres Mannes, der Fluch unserer Familie, der alle weiblichen Mitglieder befällt. Ich bin also doch nicht anders als sie. Ich bin keine Frau, die Liebe und Verlust zu überstehen vermag, wie ich geglaubt hatte, als ich meinen ersten Verlust erfuhr. Arthurs Tod brach mir das Herz. Doch nun, da mein Baby gestorben ist, will ich nichts weiter, als dass dieses Herz aufhört zu schlagen.
    Ich kann mir keinen Grund denken, warum ich leben darf, während mein unschuldiges Kind von mir genommen wurde. Ich kann den Grund nicht verstehen. Ich kann nicht nachvollziehen, warum Gott mir mein Kind nehmen musste. Diese Grausamkeit verstehe ich nicht. Als die Nachricht kam, als sie mir sagten: »Euer Gnaden, Ihr müsst nun tapfer sein, der kleine Prinz ist von uns gegangen«, da verlor ich binnen eines Augenblicks meinen Glauben an Gott. Und meinen Lebensmut. Ich verlor zudem meinen Ehrgeiz,

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