Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
Entsetzen erfüllte. Mit dem Schreiben in der Hand eilte sie zu Heinrich.
»Vater schreibt mir höchst furchtbare Neuigkeiten.«
»Was ist geschehen?«, fragte Heinrich verwirrt. »Seht her, ich habe soeben einen Brief von einem englischen Kaufmann in Italien erhalten, den ich absolut nicht verstehe. Er schreibt, die Franzosen lägen mit dem Papst im Kriege.« Er hielt ihr den Brief hin. »Wie kann es dazu kommen? Ich verstehe es überhaupt nicht.«
»Es ist wahr. Dieser Brief ist von meinem Vater. Er schreibt, der Papst habe verkündet, dass die französischen Truppen Italien verlassen müssen. Der Heilige Vater hat seine eigenen Truppen gegen die Franzosen ins Feld geschickt. König Ludwig hingegen hat erklärt, dass der Papst nicht länger der Papst sei.«
»Wie kann er das wagen?«, fragte Heinrich, bis ins Mark erschüttert.
»Vater sagt, wir müssen unseren Kreuzzug vergessen und dem Papst zu Hilfe eilen. Er wird versuchen, eine Allianz zwischen uns und dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches zu schmieden. Wir müssen uns gegen Frankreich verbünden. König Ludwig darf nicht gestattet werden, Rom einzunehmen. Sein Vormarsch muss gestoppt werden!«
»Er muss doch verrückt sein, wenn er annimmt, ich würde so etwas gestatten!«, rief Heinrich aus. »Würde ich den Franzosen erlauben, Rom zu besetzen? Würde ich einen französischen Marionettenpapst dulden? Hat er vergessen, wozu ein englisches Heer fähig ist? Will er ein neues Agincourt riskieren?«
»Soll ich demnach Vater schreiben, dass wir uns mit ihm gegen Frankreich verbünden?«, fragte Katharina. »Ich könnte sofort antworten.«
Heinrich nahm ihre Hand und küsste sie. Da sie dieses Mal nicht vor ihm zurückwich, zog er sie zu sich heran und legte seinen Arm um ihre Taille. »Ich komme mit, dann können wir beide den Brief unterzeichnen. Euer Vater sollte wissen, dass seine spanische Tochter und sein englischer Sohn sich in ihrer Unterstützung absolut einig sind. Zum Glück sind unsere Truppen bereits in Cadiz«, rief Heinrich.
Katharina zögerte noch. Ein Verdacht begann sich langsam in ihrem Kopf zu formen. »Es ist ... äußerst passend.«
»Es ist ein Glück«, sagte Heinrich heiter. »Wir sind eben von Gott gesegnet.«
»Mein Vater hat sich dabei gewiss einen Vorteil für Spanien ausgerechnet«, verlieh Katharina ihrem Verdacht Worte, während sie zu ihren Gemächern gingen. »Er unternimmt nie einen Schritt, ohne sich die Folgen gründlich zu überlegen.«
»Natürlich, aber Ihr werdet unsere Interessen schon zu wahren wissen, wie Ihr dies stets tut«, sagte der junge Mann zuversichtlich. »Ich vertraue Euch, Liebste, ebenso wie ihm. Ist er jetzt nicht mein einziger Vater?«
S OMMER 1511
Mit den wärmer werdenden Tagen und einer Sonne, die mich an die Sonne Spaniens erinnert, erwärmt sich auch meine erstarrte Seele, und ich ähnele wieder mehr der kleinen Spanierin, die ich einst war. Ich kann mich nicht mit dem Verlust meines Sohnes aussöhnen, ich glaube, ich werde nie über seinen Tod hinwegkommen, aber ich verstehe nun, dass ich niemandem die Schuld daran geben kann. Es gab weder Nachlässigkeit noch Vernachlässigung, er starb wie ein kleiner Vogel im warmen Nest, und ich muss mich damit abfinden, dass ich niemals den Grund dafür erfahren werde.
Ich weiß nun, dass es töricht war, mir selbst die Schuld zu geben. Ich habe kein Verbrechen, keine schlimme Sünde begangen, die rechtfertigten, dass der gnädige Gott meiner Kindheit mich so furchtbar strafen müsste. Kein gütiger Gott dürfte ein derart süßes Kind fortnehmen, ein so vollkommenes Baby mit blauen Augen, nur um seine Macht auszuüben. Tief im Herzen weiß ich, dass so etwas nicht sein kann, dass es einen solchen Gott nicht gibt. Dennoch gab ich in den ersten heftigen Ausbrüchen meines Schmerzes mir selbst die Schuld und Gott die Schuld. Nun aber weiß ich, dass es keine Strafe für eine Sünde war. Ich weiß, dass ich mein Versprechen, Arthurs Versprechen, in bester Absicht gehalten habe. Und dass Gott immer noch seine schützende Hand über mich hält.
Mein furchtbarer, eisiger, düsterer Verlust scheint zusammen mit der furchtbaren, kalten Dunkelheit des englischen Winters von mir zu weichen. Eines Morgens kam der Hofnarr und erzählte mir einen Witz, und ich brach in Lachen aus. Es war, als sei eine Tür aufgegangen, die lange verschlossen war. Ich merke wieder, dass ich lachen kann, dass man glücklich sein kann, dass Lachen und Hoffnung sich
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