Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
dass das Gesetz mächtiger ist als sein Stammesfürst«, sagte Catalina. »Diesen Grundsatz haben die Mauren in Spanien eingeführt, und meine Mutter und mein Vater haben ihn übernommen. Die Mauren hatten es nicht nötig, Glauben und Sprache der unterworfenen Völker zu ändern, sie begnügten sich damit, Frieden und Wohlstand und ein Gesetz für alle einzuführen.«
»Die Hälfte meiner Lords würde das als Häresie ansehen«, neckte sie Arthur. Dann wurde er ernst. »Außerdem halten Eure Mutter und Euer Vater es anders: Nun diktieren sie dem spanischen Volk ihre eigene Religion. Schon jetzt haben sie die Juden vertrieben, und die Mauren sind als Nächste dran.«
Catalina runzelte die Stirn. »Ich weiß. Und es bringt viel Leid. Aber ursprünglich war es ihre Absicht, den Menschen die Ausübung des eigenen Glaubens zu gestatten. Dies war ihr Versprechen, bevor sie Granada eingenommen hatten.«
»Ist es andererseits nicht nötig, dass ein geeintes Land einen einzigen Glauben hat?«, fragte er.
»Für die Ungläubigen nicht«, sagte Catalina entschieden. »In Al-Andalus lebten Mauren und Christen und Juden in Frieden und Freundschaft miteinander. Einem christlichen Herrscher jedoch obliegt die Pflicht, seine Untertanen zu Gott zu führen.«
Catalina pflegte eine Zeit lang zuzuschauen, wenn ihr Gemahl mit dem einen oder anderen Mann verhandelte. Sobald jedoch Doña Elvira ein Zeichen gab, machte sie einen höfischen Knicks und zog sich zurück. Sie betete ihr Abendgebet, saß eine Weile mit ihren Hofdamen zusammen und zog sich zuletzt in ihre Kammer zurück, wo sie lange, lange wartete.
»Ihr könnt nun gehen, ich schlafe heute Nacht allein«, pflegte sie dann zu Doña Elvira zu sagen.
»Wieder einmal?«, entgegnete die Duenna zweifelnd. »Ihr wollt allein ruhen, seit wir in dieser Burg Quartier bezogen haben. Was ist, wenn Ihr in der Nacht aufwacht und die Dienste einer Magd benötigt?«
»Ich schlafe besser, wenn niemand in meiner Kammer ist«, pflegte Catalina darauf zu erwidern. »Ihr könnt mich nun ruhigen Gewissens allein lassen.«
Also wünschten die Duenna und die Hofdamen ihrer Herrin eine Gute Nacht und zogen sich zurück. Die Zofen kamen und schnürten ihr das Mieder auf, nahmen die Haarnadeln aus ihrem Kopfputz, schnürten ihr die Schuhe auf und zogen ihr die Strümpfe aus. Dann holten sie das vorgewärmte Nachtgewand. Catalina bat um ihren Umhang und sagte, sie werde noch ein wenig am Feuer sitzen. Sie schickte alle fort.
Und dann wartete sie auf ihn, in aller Stille, während die Burg sich allmählich zur Ruhe begab. Und wenn sie dann endlich das leise Tapsen seiner Füße vor der Außentür ihrer Kammer hörte, der Tür zur Festungsmauer, dann flog sie zur Tür und schob den Riegel zurück. Rotwangig vor Kälte, den Umhang über sein Nachthemd geworfen, wehte er mit dem eisigen Wind herein, und sie fiel ihm um den Hals.
***
»Erzählt mir eine Geschichte.«
»Welche wünscht Ihr heute zu hören?«
»Erzählt mir von Eurer Familie.«
»Soll ich von meiner Mutter erzählen, als sie noch ein Mädchen war?«
»Ja, bitte. War sie eine kastilische Prinzessin, so wie Ihr?«
Catalina schüttelte den Kopf. »Nein, gar nicht wie ich. Sie wurde weder beschirmt noch beschützt. Sie lebte am Hofe ihres Bruders, ihr Vater war tot, und ihr Bruder liebte sie nicht so, wie es sich ziemte. Er wusste, dass sie die Thronfolgerin war, aber er wollte, dass seine Tochter die Krone erbte. Alle wussten jedoch, dass diese Tochter ein Bastard war, den ihm seine Gemahlin, die Königin, untergeschoben hatte. Die Tochter wurde sogar mit einem Spitznamen gerufen, der auf den Liebhaber der Mutter hinwies: Sie hieß ›La Beltraneja‹. Könnt Ihr Euch etwas Schändlicheres vorstellen?«
Folgsam schüttelte Arthur den Kopf. »Nein.«
»Meine Mutter lebte am Hofe ihres Bruders wie eine Gefangene. Die Königin hasste sie natürlich, die Höflinge behandelten sie schlecht, und ihr eigener Bruder plante, sie zu enterben. Selbst die Mutter meiner Mutter konnte ihn nicht zur Räson bringen.«
»Warum denn nicht?«, fragte Arthur neugierig - und nahm rasch ihre Hand, weil er sah, dass ein Schatten über ihr Gesicht fiel. »Oh, Liebes, es tut mir leid. Was war denn mit ihr?«
»Großmutter war krank«, erzählte Catalina. »Krank vor Traurigkeit. Ich weiß nicht genau, warum, oder warum die Traurigkeit sie so heftig befallen hatte. Aber sie konnte kaum sprechen oder sich regen. Sie konnte nur weinen.«
»Also hatte
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