Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
»Drei Stunden lang habe ich versucht, sie loszuwerden, um endlich zu Euch zu kommen.«
Er nahm sie auf seine Arme und trug sie zum Bett. »Aber, Arthur, wollt Ihr nicht zuerst ...«
»Ich will dich.«
***
»Erzählt mir eine Geschichte.«
»Seid Ihr denn nicht müde?«
»Nein. Ich möchte das Lied der Mauren hören, welche die Schlacht um Malaga verloren haben.« Catalina lachte. »Es war die Schlacht von Alhama. Gern singe ich Euch ein paar Strophen vor, aber das ganze Lied ist ellenlang.«
»Warum nicht alle Strophen?«
»Das würde die ganze Nacht dauern!«, protestierte sie.
»Wir haben ja zum Glück die ganze Nacht Zeit«, entgegnete Arthur freudig. »Wir haben diese Nacht und alle Nächte unseres Lebens vor uns. Wollen wir Gott dafür danken!«
»Es ist ein verbotenes Lied«, warnte Catalina. »Von meiner Mutter persönlich verboten.«
»Wie habt Ihr es dann lernen können?«, fragte Arthur, sogleich abgelenkt.
»Von den Dienern«, gestand die Prinzessin. »Meine Amme war Moriskin, und zuweilen vergaß sie, wer sie war - und wer ich war -, und sang es mir vor.«
»Was ist denn eine Moriskin? Und warum war dieses Lied verboten?«, fragte der Prinz neugierig.
»Moriske bedeutet auf Spanisch ›kleiner Maure‹«, erklärte Catalina. »So nennen wir die in Spanien lebenden Mauren. Sie sind nicht die wahren Mauren, wie jene in Afrika. Also nennen wir sie ›kleine Mauren‹ oder moriscos. Zur Zeit meiner Abreise begannen sie, sich als ›Mudajjan‹ zu bezeichnen: als ›jene, die bleiben dürfen‹.«
»Jene, die bleiben dürfen?«, fragte er. »In ihrem eigenen Lande?«
»Es ist nicht ihr Land«, entgegnete sie sofort. »Es gehört uns. Es ist das Land der Spanier.«
»Sie besaßen es siebenhundert Jahre lang«, betonte Arthur. »Als Eure Vorfahren noch Ziegen in den Bergen hüteten, bauten sie bereits Straßen und Burgen und Universitäten. So habt Ihr selbst es mir erzählt.«
»Aber jetzt ist es unser Land«, erklärte sie kategorisch.
Arthur klatschte in die Hände wie ein Sultan. »Nun singe mir das Lied, Scheherazade! Und singe es auf Französisch, du Barbarin, damit ich es auch verstehen kann.«
Catalina faltete die Hände wie eine Betende und verneigte sich tief vor ihrem Gemahl.
»Das gefällt mir!«, rief Arthur aus, in dem Anblick schwelgend. »Habt Ihr dies im Harem gelernt?«
Sie lächelte nur, hob den Kopf und sang.
»Hub ein alter Maur' die Rede,
Also sprach er zu dem König:
Warum rufst du uns, oh Herr?
Wehe mir! Alhama!
Hören sollt ihr, meine Freunde,
Eine jammervolle Kunde:
Vor der Christen wildem Mute
Ist Alhama jüngst gefallen.
Wehe mir! Alhama!
Alter Alfaquí entgegnet,
Mit dem langen weißen Barte:
Recht geschieht dir, edler König!
Wehe mir! Alhama!
Schlugst die tapfern Bencerrages,
Die Blüte von Granada.
Hast die Fremden aufgenommen,
Die aus Córdoba entflohen.
Wehe mir! Alhama!
Darum verdienest du, oh König,
Eine doppelt harte Strafe!
Dass dein Reich und du verderbest,
Dass Granada selber falle.
Wehe mir! Alhama!«
Catalina verstummte. »Und genauso war es«, bestätigte sie. »Der arme Boabdil trat hervor aus der Alhambra, aus der roten Festung, die angeblich niemals fallen sollte. Er brachte auf seidenem Kissen die Schlüssel, verneigte sich tief und überreichte sie meiner Mutter und meinem Vater und ritt von dannen. Es heißt, dass er auf dem Gebirgspass haltmachte und einen Blick zurück auf sein Königreich warf, auf sein wunderschönes Reich, und dass er weinte. Und seine Mutter drängte ihn noch: Sie sagte, er solle weinen wie ein Weib um das, was er als Mann nicht hatte verteidigen können.«
Arthur stieß ein kindliches Lachen aus. »Das hat sie gesagt?«
Catalina schaute ihn ernst an. »Es war sehr tragisch.«
»Genau so einen Satz könnte auch meine Großmutter sagen«, meinte Arthur entzückt. »Ein Glück, dass Vater seine Krone erobert hat. Hätte er eine Niederlage einstecken müssen, dann wäre Großmutter ebenso liebenswürdig gewesen wie Boabdils Mutter. Meine Güte! ›Weine wie ein Weib um das, was du als Mann nicht verteidigen konntest.‹ Welch ein Trost nach einer Niederlage!«
Nun musste auch Catalina lachen. »So habe ich das nie gesehen. Es ist wirklich kein sonderlicher Trost.«
»Stellt Euch vor, Ihr wäret auf dem Weg ins Exil und Eure eigene Mutter wäre dermaßen erzürnt!«
»Stellt Euch vor, was für ein Gefühl es ist, die Alhambra zu verlieren und nie mehr zurückkehren
Weitere Kostenlose Bücher