Die ewige Straße

und nach Hause zurückzukehren.«
    Winston nickte. »Das Feuer erlischt bald«, sagte er.
    Sie stocherte in der Glut und legte Holz nach. »Niemand weiß, ob Polk überhaupt jemals gelebt hat. Vielleicht ist er nichts als eine Legende.«
    Blitze erhellten den Eingang der Höhle. Sekunden später donnerte es. »Haven erinnert mich ein wenig an Camelot«, sagte er.
    Camelot? Also hatte Winston den Yankee aus Conne c ticut gelesen!
    »Aus Ihren Worten schließe ich, daß die Welt dort draußen zerstört wurde«, fuhr er fort, nachdem er an seinem glühenden Stäbchen gezogen hatte.
    »O nein. Nur die Städte sind zerstört. Die Welt ist noch immer da.«
    »Aber es gibt Ruinen?«
    »Ja.«
    »Ausgedehnt?«
    »Sie stehen in den Wäldern, verstopfen die Flüsse, liegen in Untiefen am Meer. Ja, man könnte sagen, sie sind ausgedehnt. Und einige sind sogar noch aktiv, auf irgendeine geheimnisvolle Art und Weise. So wie diese hier.«
    »Was wissen Sie über die Briten?«
    Chaka zuckte die Schultern. »Ich habe noch nie von den Briten gehört, Sir.«
    »Nun, das wird die Amerikaner wahrscheinlich freuen. Und Sie sagen, alles wäre in Haven in Sicherheit?«
    »Ja.«
    »Und diesem Haven wollen Sie den Rücken kehren.«
    »Wir sind erschöpft, Winston.« Sie war zwischenzeitlich zu dem Schluß gekommen, daß Winston irgendwie mit Mike und dem oder den merkwürdigen Wesen in der Bank verwandt war. Er war real, aber er war bestimmt kein Mensch. Er sah aus wie ein Mensch, aber er redete wie jemand aus der Vergangenheit. Allmählich entwickelte sie ein Gespür dafür.
    »Ihr Mangel an Neugier, Chaka, erweckt in mir atemloses Staunen.«
    Verdammt. »Sehen Sie, für Sie mag es einfach sein, mit dem Finger auf uns zu zeigen. Sie haben ja keine Vorstellung von dem, was wir durchgemacht haben. Nicht die leiseste. Drei von uns sind unterwegs gestorben.«
    Winston blickte sie fest an. »Drei Tote? Das tut mir leid. Doch der Preis klingt in meinen Ohren, als könnte er jedes Opfer rechtfertigen.«
    »Das tut er auch. Aber wir sind nur noch zu dritt!«
    »Chaka, die Geschichte wurde noch nie von großen Massen geschrieben. Genausowenig von den Vorsichtigen und den Zauderern. Schon immer war es der einsame Kapitän, der den Kurs bestimmt hat.«
    »Es ist vorbei. Wir haben wahrscheinlich Glück, wenn wir lebend nach Hause zurückkehren.«
    »Das mag stimmen. Ganz sicher werden Sie großen Gefahren gegenüberstehen, wenn Sie Ihr Ziel weiter verfolgen. Doch Sie müssen ganz allein entscheiden, ob der Preis, der am Ende winkt, das Risiko wert ist oder nicht.«
    »Das werden wir. Meine Partner und ich.« Allmählich wurde sie wütend. »Wir haben genug getan! Es wäre unvernünftig, jetzt nicht aufzugeben!«
    »Der Wert der Vernunft wird häufig überschätzt, Chaka. Es wäre durchaus vernünftig gewesen, Hitlers Vorschläge von 1940 zu akzeptieren.«
    »Was?«
    Winston winkte ab. »Das spielt jetzt alles keine Rolle mehr. Aber eins lassen Sie sich gesagt sein: Vernunft, in einer Situation, wo man unter Druck steht, führt in der Regel zu Besonnenheit, wo Kühnheit verlangt ist.«
    »Wir sind keine Feiglinge, Winston.«
    »Ich bin ganz sicher, daß Sie keine Feiglinge sind, Chaka von Illyrien. Sonst wären Sie gar nicht so weit gekommen.« Er biß auf sein Glühstäbchen. Eine blaue Wolke von Dunst trieb auf sie zu. Der Qualm brannte in ihren Augen, und sie wich zurück.
    »Sind Sie ein Geist?« fragte Chaka unvermittelt. Die Frage erschien ihr nicht im geringsten dumm.
    »Vermutlich bin ich das, ja. Ich bin etwas, das von der zurückweichenden Flut vergessen wurde.« Das Feuer spiegelte sich in seinen Augen. »Ich frage mich, ob ein Ereignis jegliche Bedeutung verliert, wenn niemand mehr lebt, um sich daran zu erinnern. Quasi, als wäre es niemals eingetreten, wenn Sie verstehen?«
    Flojian rührte sich im Schlaf, ohne jedoch aufzuwachen.
    »Ich weiß nicht. Ich verstehe nicht«, sagte Chaka.
    Lange Zeit schwiegen beide.
    Winston erhob sich. »Ich fühle mich nicht wohl hier«, sagte er.
    Sie meinte zuerst, er wolle Mißvergnügen an ihrem Verhalten ausdrücken.
    »Der Boden ist hart für einen alten Mann wie mich. Und Sie haben selbstverständlich recht: Sie und Ihre Begleiter entscheiden allein, ob Sie weiter suchen oder nicht. Dieses Camelot war ein Niemandsland. Es hat nie existiert. Sein einziger Wert lag darin, daß die Menschen bestimmte Werte und Ideale damit verbanden. Vielleicht trifft das gleiche auch auf Ihr Haven zu. Vielleicht haben