Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die ewige Straße

Die ewige Straße

Titel: Die ewige Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
Vom Netzwerk:
genau, was sie geweckt hatte, doch mit einem Mal war sie hellwach und alarmiert.
    Jemand stand eingerahmt vom Mondlicht am Ausgang der Höhle und sah nach draußen. Feuerschein spielte über seinen Rücken.
    Chaka sah zur Seite. Quait lag neben ihr, und seine Brust hob und senkte sich regelmäßig. Flojian lag auf der anderen Seite.
    Chaka hatte auf ihrer Satteltasche geschlafen. Ohne sichtbare Bewegung zog sie ihre Pistole hervor. Selbst nach den gestrigen Ereignissen neigte sie dazu, Kugeln mehr zu vertrauen als den Keilen der Straßenbauer.
    Die Gestalt gehörte einem Mann. Er war ein wenig beleibt um die Körpermitte und trug merkwürdige Kleidung: eine dunkle Jacke mit dazu passender Hose und einen runden Hut mit schmaler Krempe, und in einer Hand hielt er einen Spazierstock. In der Nähe seines Mundes war ein roter Lichtschein, der abwechselnd heller und dunkler wurde, und Chaka bemerkte einen aromatischen Gestank wie von glimmendem Kraut.
    »Keine Bewegung«, sagte sie leise und erhob sich hinter dem Fremden. »Ich habe eine Pistole auf Sie gerichtet.«
    Der Mann drehte sich um, betrachtete Chaka neugierig und stieß eine Rauchwolke aus. Er rauchte tatsächlich irgendein Kraut. Und der Geruch war widerwärtig. »So, haben Sie«, sagte er. »Ich hoffe, Sie wollen keinen Gebrauch davon machen.«
    Er schien nicht sonderlich beeindruckt. »Ich meine es ernst«, sagte Chaka.
    »Das tut mir leid«, antwortete der Fremde. Er lächelte. »Ich wollte Sie nicht wecken.«
    Unter der Jacke trug er ein weißes Hemd und eine dunkle Weste, und um den Hals hatte er ein dunkelblaues, mit weißen Tupfen gesprenkeltes Band geschlungen, das über seinem Kehlkopf kunstvoll verknotet war. Die Haare des Fremden waren weiß, und seine Gesichtszüge wirkten mürrisch, beinahe feindselig. Er hatte etwas von einer Bulldogge an sich. Er trat ein paar Schritte auf Chaka zu und zog den Hut. Er sprach mit einem eigenartigen Akzent.
    »Was haben Sie hier zu suchen?« fragte Chaka. »Und wer sind Sie?«
    »Ich lebe hier, junge Frau.«
    »Wo?« Sie sah sich in der Höhle um und betrachtete die kahlen Wände, die sich im flackernden Licht des Lagerfeuers zu bewegen schienen.
    »Hier.« Er hob die Arme, deutete auf die Höhle und trat einen weiteren Schritt vor.
    Sie hob die Pistole und zielte auf seine Brust. »Das ist weit genug«, sagte sie. »Glauben Sie nicht, ich würde zögern.«
    »Bestimmt würden Sie das nicht, junge Frau.« Sein ernster Gesichtsausdruck wich einem freundlichen Lächeln. »Aber ich bedeute wirklich keine Gefahr für Sie.«
    Sie warf einen gehetzten Blick nach hinten. In den dunklen Tiefen der Höhle rührte sich nichts. »Sind sie allein?« fragte sie.
    »Inzwischen ja. Früher war noch Nelson da. Und Lincoln. Außerdem ein amerikanischer Sänger und Gitarrenspieler, wenn ich mich recht erinnere. Genaugenommen waren wir ziemlich viele.«
    Chaka gefiel die Richtung nicht, die ihre Unterhaltung eingeschlagen hatte. Es klang ganz danach, als versuchte er, sie abzulenken. »Falls Sie irgendeine Überraschung im Sinn haben«, sagte sie, »die erste Kugel gilt Ihnen.«
    »Es ist schön, endlich wieder einmal Besuch zu empfangen«, sagte der Fremde. »Die letzten Male, als ich aufgestanden und nach draußen gegangen bin, war das Gebäude stets leer.«
    »Tatsächlich?« Von welchem Gebäude redete der Bursche nur?
    »O ja. Früher zogen wir gewaltige Massen an. Aber die Bänke und die Galerie sind verschwunden.« Er blickte sich mit ernsten Augen um. »Ich frage mich, was geschehen sein mag.«
    »Wie heißen Sie?« erkundigte sich Chaka.
    Er sah verwirrt aus, fast erschrocken. »Das wissen Sie nicht?« Er stützte sich auf seinen Spazierstock und betrachtete sie angestrengt. »Dann glaube ich, daß unsere Unterhaltung nicht viel Sinn macht.« Seine Stimme klang voll und dunkel, und seine Aussprache hatte ein Rollen an sich.
    »Woher soll ich das wissen? Wir sind uns nie begegnet.« Sie wartete auf eine Antwort. Als keine kam, fuhr sie fort: »Ich bin Chaka Milana aus Illyrien.«
    Der Fremde verbeugte sich leicht. »Unter diesen Umständen sollten Sie mich vielleicht Winston nennen. Aus Chartwell.« Er grinste verschmitzt und zog die Jacke enger. »Es ist zugig hier. Warum gehen wir nicht zum Feuer, Chaka aus Illyrien?«
    Wäre er feindlich gesinnt gewesen, hätte er Chaka und ihre Freunde längst töten können. Sie senkte die Waffe und schob sie in den Gürtel zurück. »Ich bin überrascht, Sie hier zu finden«, sagte sie.

Weitere Kostenlose Bücher