Die ewige Straße
Flojian.
Der Mann mit den Hosenträgern trat ein paar Schritte vor. »Ich bin der Zöllner«, sagte er. »Mein Name lautet Jeryk.«
»Ich bin Chaka Milana. Das dort sind Flojian und Quait.«
»Wohin wollt ihr?« Der Wind wehte dem Alten die Haare in die Augen.
»Wir sind Händler«, antwortete sie. »Auf der Suche nach neuen Märkten.«
»Ihr seht aber nicht aus wie Händler.« Er schielte zu Flojian. »Nun, bis auf den dort vielleicht.«
»Wie hoch ist der Zoll?« erkundigte sich Quait.
Der jüngere Mann grinste. »Was habt ihr denn?«
Chaka sah Jeryk an. »Dürfen wir die Hände wieder herunternehmen?«
Am Ende tauschten sie einen großzügigen Vorrat an Nahrung und Schmuckstücken gegen zwei volle Weinschläuche.
Sie erfuhren nie, wie Jeryk an seinen Posten gekommen war oder wie lange er schon hier bei der Brücke lebte. Er berichtete, daß er und seine Familie Brückenwächter seien und beide Brücken instand hielten. Es war eine kühne Behauptung. Quait erwähnte daraufhin, daß die westliche Brücke dringend eine Reihe von Reparaturen benötigte.
»Das ist uns bekannt«, erwiderte Jeryk. »Wir werden uns darum kümmern, sobald es Sommer geworden ist.«
»Kommen viele Leute hier durch?« fragte Flojian.
»Oh, heutzutage nicht mehr«, antwortete Jeryk. »Als mein Vater noch lebte, war dies ein geschäftiger Ort. Seit damals hat der Verkehr stark nachgelassen.«
»Warum?«
»Mehr Räuber auf den Straßen.« Jeryk runzelte indigniert die Stirn. »Die Menschen sind nicht mehr sicher unterwegs, deswegen reisen sie in großen Gruppen.«
Chaka entnahm aus Jeryks Worten, was er selbst wohlweislich verschwieg: Große Gruppen würden den selbsternannten Zöllner mit ziemlicher Sicherheit nicht zu Gesicht bekommen.
Sie wurden eingeladen, zum Essen zu bleiben. »Wir haben gerne Besuch«, sagte die Frau. Doch es schien sicherer, die Einladung nicht anzunehmen, und so erklärte Chaka, daß sie einen engen Zeitplan einhalten müßten. Flojian fiel beinahe vom Pferd, so sehr mußte er sich zusammenreißen, um nicht laut zu lachen.
Als sie aufbrachen, warnte Jeryk sie noch einmal eindringlich, sich vor Wegelagerern in acht zu nehmen. »Heutzutage kann man einfach nicht vorsichtig genug sein«, sagte er.
Die Landschaft veränderte sich zusehends. Granitfelsen durchzogen die Ebene. Sie passierten eine Reihe von mehreren hundert Fuß hohen runden Bauwerken, die an Spindeln erinnerten, nur daß sie in der Mitte dünn und oben und unten breit waren. Sie besaßen weder Fenster noch Türen, und nichts verriet ihren ursprünglichen Sinn. Quait bemerkte, daß die Straßenbauer zwar sehr viel Geometrie und Steine hinterlassen hätten, aber kaum andere Dinge. »Es wäre doch eine Schande«, sagte er, »wenn die, die nach uns kommen, nichts anderes fänden als unsere Bauwerke. Und unsere Straßen. Selbst wenn es hervorragende Straßen sind, die bei jedem Wetter passierbar bleiben.«
Die Stimmung wurde allmählich besser, während sie auf einem Weg nach Osten wanderten, der schier endlos schien. Ein weiterer Kanal tauchte im Norden auf und verlief parallel zu ihrem Treck. Er war zwar lange nicht so gewaltig wie der vorhergehende, doch er führte Wasser. Tag um Tag ritten sie an ihm entlang, und Flojian stellte sich die vielen Männer vor, wie sie mit Spaten den Kanal aushuben. »Wir haben immer angenommen, daß sie eine Art von repräsentativer Regierung besaßen, aber ich wüßte nicht, wie man diese Ingenieursleistungen ohne den Einsatz von Sklaven vollbringen könnte.«
»Meinst du, sie haben wirklich Sklaven gehalten?« fragte Quait. Die Baranji waren Sklavenhalter gewesen, doch die wenige Literatur, die aus der Straßenbauerzeit erhalten geblieben war, erweckte den Eindruck einer Gesellschaft freier Menschen.
»Wie sonst hätten sie diese Bauten erschaffen können? Bei den Straßen wird es nicht so offensichtlich, weil man sich einfach eine Menge Leute vorstellen kann, die das Material für den Belag vergießen. Aber dieser Kanal hier, und erst recht der andere …?«
Sie ritten nun wieder und kamen rasch voran, passierten eine Brücke, die eingestürzt war und den Kanal blockierte. Es war ein heller, sonniger Tag. Blumen blühten, und die Luft war rein und klar. Chaka entdeckte eine Schildkröte, die sich auf den Trümmern sonnte.
Vier Tage zogen sie am Kanal entlang, dann erreichten sie eine Stelle, wo er in einen breiten, stillen Strom mündete und auf der anderen Seite weiterführte. Im Norden standen die
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