Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die ewige Straße

Die ewige Straße

Titel: Die ewige Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
Vom Netzwerk:
kam als letzter an Bord. Er fragte, ob sie bereit wären, und als sie einstimmig bejahten, gab er den beiden Freiwilligen ein Zeichen. Sie zogen an den Seilen, der hölzerne Rahmen fuhr knarrend auseinander, und der Ballon begann zu steigen.
    Laute Rufe begleiteten sie. Menschen blieben auf den Straßen stehen und unterbrachen ihre Arbeit auf den Feldern, um ihnen zu winken. Andere, offensichtlich vom allgemeinen Lärm angezogen, kamen aus ihren Häusern, sahen nach oben und winkten und riefen.
    Nichts in Quaits bisherigem Leben, nicht die Schüsse in den zahlreichen Kämpfen, nicht die Fahrt in der Maglev, nicht einmal die geisterhafte Stimme Mikes in der Union-Station hatte seine Urängste jemals so stark erweckt wie der Anblick der unter ihm zurückweichenden Erde. Höhe hatte ihm nie etwas ausgemacht, und er war überrascht, daß das Aufsteigen über die Baumwipfel eine derart heftige Reaktion in ihm auslöste. Und was die Sache noch peinlicher machte: Seine Gefährten schienen die Erfahrung begeistert zu genießen.
    »Wir werden nicht nur über unbekanntes Land fahren«, sagte Claver. »Vielleicht interessiert es Sie, daß unsere Reise beinahe doppelt so weit gehen wird, wie dieser Ballon jemals zuvor gefahren ist.« Der alte Mann mochte vielleicht aufgeregte Erwartung verspüren, aber die Information trug nichts zu Quaits Beruhigung bei.
    »Sehen Sie dort.« Claver zeigte auf zwei Leinen, die aus dem Innern des Ballons kamen. Eine trug eine gelbe Markierung, die andere eine rote. »Diese hier«, er deutete auf die gelbe Leine, »kontrolliert das Wasserstoffventil oben auf der Hülle. Die rote kennen Sie bereits. Die Reißleine.« Er nickte ernst. »Ich denke, es ist eine gute Idee, wenn Sie keine von beiden anfassen. In Ordnung?«
    Quait sah nach Osten auf eine hügelige Landschaft hinunter, mit Bauernhöfen, Feldern, Obstplantagen, Straßen und Wegen und dann dichtem Wald. Karren fuhren auf den Straßen, Schiffe auf den Flüssen, Menschen arbeiteten auf Feldern. Dann hatten sie alles hinter sich gelassen und trieben über der Wildnis dahin. Quait lauschte dem Wind, dem Knarren der Gondel und dem weit entfernten Bellen eines Hundes.
    »Es ist wunderbar«, sagte Chaka.
    Quait hatte schon früher aus großer Höhe nach unten gesehen. Er hatte auf Gipfeln gestanden, auf der Eisernen Pyramide daheim in Illyrien und auf der Brücke, die Silas zum Verhängnis geworden war. Aber diese Erfahrung hier war von einer ganz anderen Art. Sie bedeutete ein Losgelöstsein, ein Gefühl des Nicht-auf-der-Erde-Stehens, von Freiheit und Verwundbarkeit zugleich.
    Der Ballon flog nach Süden.
    In die falsche Richtung.
    »Geduld«, mahnte Claver. »Wir müssen nach einer geeigneten Windströmung suchen.« Und mit dieser Bemerkung schob er eine Schaufel in einen der Sandsäcke auf der Außenseite der Gondel, füllte sie und warf Sand über Bord. Der Ballon stieg höher.
    »Und Sie sind sicher, daß wir ohne Schwierigkeiten wieder nach unten kommen?« fragte Quait zweifelnd.
    Claver drückte beruhigend seine Schulter. »Vollkommen sicher, mein junger Freund. Ich kann Ihnen versichern, daß wir irgendwann landen werden. Auf die eine oder andere Weise.«
    Flojian arbeitete an einer Skizze des Ballons, doch der Wind zerzauste immer wieder das Papier, und schließlich gab er auf. Er war weit mehr an dem Gefährt und seiner Funktionsweise interessiert als an der wunderbaren Aussicht.
    Claver fand schließlich eine geeignete Strömung, und sie trieben stetig durch den Nachmittag nach Nordosten. »Ich schätze unsere Geschwindigkeit auf dreißig Meilen in der Stunde«, sagte er. Quait war beeindruckt. Unten auf der Erde benötigten sie für eine Entfernung von dreißig Meilen eineinhalb Tage.
    Überall waren die Reste von Straßenbauerstädten zu sehen, manchmal kaum mehr als ein paar verkohlte Ruinen.
    »Von hier oben bekommt man ein besseres Gefühl für das ganze Ausmaß der Zerstörungen.« Claver rückte seine Brille zurecht. Er war ständig mit seiner Brille beschäftigt.
    »Die Große Seuche muß entsetzlich gewesen sein«, sagte Flojian.
    »Soviel ist sicher.« Claver sah nach unten. »Im Zeitalter der Straßenbauer hat es eine ganze Menge Menschen gegeben. Haben Sie jemals Boston gesehen? Oder New York? Nein. Sie würden es wissen, wenn Sie eine dieser Städte gesehen hätten. Sie waren gigantisch. Riesig. Nicht mit Brockett zu vergleichen. Eine bösartige, ansteckende Krankheit bei einer derart großen Bevölkerung, und alles läuft

Weitere Kostenlose Bücher