Die ewige Straße
betrieben.
Jon Shannon ging allen drei Formen der Beschäftigung nach – je nachdem, worauf er gerade Lust verspürte. Der erzielbare Profit war stets fair, wenn er auch nicht an das Einkommen seiner Brüder heranreichte, die zusammen mit dem Vater eine Überlandhandelsgesellschaft betrieben. Aber Shannon war frei. Er genoß die Einsamkeit und empfand Freude bei seiner Arbeit.
Obwohl die Einsamkeit nach und nach zu verschwinden drohte.
Mit der Liga und dem damit verbundenen Frieden und allgemeinen Wohlstand hatte sich die Welt verändert. Das große Waldgebiet, das einst seine Hütte umgeben hatte, wich mehr und mehr Bauernhöfen und neuen Häusern. In den letzten sieben Jahren war er zweimal weitergezogen und nach Nordosten ausgewichen, nur, um jedesmal aufs neue von der Flut der Siedlungen eingeholt zu werden, die sich von Illyrien her ausbreitete.
Shannon war schon immer ein Einzelgänger gewesen. Er fand keinen Geschmack an den Freuden und dem Ehrgeiz des städtischen Lebens. Seine erste Frau war bei der Geburt ihres Kindes gestorben und hatte das Baby mitgenommen, die zweite hatte sich bemüht, einen anderen Menschen aus ihm zu machen, und nach einer Weile aufgegeben. Sie hatte sich gelangweilt und ihn schließlich verlassen.
Auf seine eigene Art und Weise hatte er beide geliebt. Doch jetzt fühlte er sich ausgelaugt, und wenn er auch in der weiten grünen Einsamkeit nicht mehr so glücklich war wie früher, so war er wenigstens zufrieden. Es war ein ruhiges, sicheres Leben, und mehr durfte ein Mann nicht erwarten.
Bald würde er wieder weiterziehen müssen, und diese Tatsache zwang ihn, sich mit seinem bisherigen Leben auseinanderzusetzen, das ihm ziellos und wurzellos erschien.
Aber Ziellosigkeit ist nicht notwendigerweise eine schlechte Sache.
Er würde erneut zurückweichen, doch noch war ein wenig Zeit. Vielleicht konnte er ein weiteres Jahr hier verbringen. Das würde er nutzen, um seine zukünftige Umgebung zu erforschen. Fünfundzwanzig Meilen nördlich hatte er eine Stelle gefunden, die ihm zusagte. Auf einem Hügel gelegen – wo sonst? –, mit ein paar Bächen in der Nähe und reichlich Wild. Wenn er allerdings bedachte, wie rasch sich die Grenze nach draußen verschob, dann war er nicht sicher, ob fünfundzwanzig Meilen weit genug waren. Andererseits würde selbst diese geringe Entfernung die Kommunikation mit seinen Kunden erschweren. Und genau darin lag das Problem. Wenn er weiter hinaus und nichts als ungestörte Wildnis ringsum wollte, zu einem Ort, an dem er wenigstens für einige Jahre ungestört bleiben würde, dann mußte er einige Dinge in seinem jetzigen Leben ändern. Vielleicht sollte er das wirklich. Schließlich brauchte er kein Geld. Warum sollte er sich weiter als Führer an die zahllosen Expeditionen und Ausflügler verdingen, wenn er sowieso keine Freude dabei empfand, Zeit mit diesen Menschen zu verbringen? Seine Schulter schmerzte noch immer von der Kugel, die er einem seiner idiotischen Kunden verdankte, weil er ihn für einen Hirschen gehalten hatte.
Hufschlag näherte sich.
Shannon sah ein Pferd aus dem Wald galoppieren. Er erkannte die rothaarige Gestalt darauf sofort, obwohl es einige Augenblicke dauerte, bis ihm der Name wieder einfiel. Chaka Milana. Tarbuls Tochter. Sie war erwachsen geworden.
Er begrüßte sie draußen. »Lange her«, sagte er.
Sie war eine gutaussehende Frau, selbst nach einem anstrengenden Ritt. (Bis nach Illyrien waren es zwei Tagesritte.) Die roten Haare, die Chaka als Kind so gehaßt hatte, standen ihr ganz ausgezeichnet. Sie besaß die Augen eines Jägers und einen melancholischen Ausdruck, der einen Mann ganz schnell in den Bann ziehen konnte. Sie hatte nicht mehr viel Ähnlichkeit mit dem kleinen Mädchen, das er zum letzten Mal an der Seite seines Vaters auf der Jagd nach Gänsen gesehen hatte.
»Hallo Jon.« Chaka zügelte ihr Pferd und stieg in einer geschmeidig gleitenden Bewegung ab. »Erinnern Sie sich noch an mich?«
»Selbstverständlich, Chaka«, erwiderte er. Sie trug engsitzende Hosen und eine dunkelblaue Leinenbluse mit einer Wolljacke darüber. »Schön, Sie zu sehen.«
Chaka ruckte. »Gleichfalls.«
Er half ihr, das Pferd zu versorgen, und führte sie in seine Hütte. Er hatte ein paar neue Regale gezimmert, und das Innere der Hütte roch nach frisch geschnittenem Holz und Harz. »Ich setze uns einen Tee auf«, sagte er. »Wollen Sie sich inzwischen ein wenig frisch machen?«
Sie nickte. Er pumpte ihr eine Schale
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