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Die ewige Straße

Die ewige Straße

Titel: Die ewige Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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nicht so einfach erklären ließ. Die Oriki wußten nichts mehr vom Zusammenbruch der Zivilisation. Und sie konnten nicht lesen. Und so gab sich Avila schließlich damit zufrieden, ihren Gastgebern zu erzählen, daß sie einfach nur die Welt sehen wollten. Und natürlich ihre Nachbarn besuchen.
    Mori stellte ihnen den Ganji vor, der sowohl Clanhäuptling als auch Schamane war.
    Der Ganji war um die siebzig Jahre alt. Er trug einen ausgefransten weißen Bart und sah so unauffällig aus, daß er ohne Probleme als illyrischer Händler durchgegangen wäre. Später erinnerte sich Chaka nur noch an ein Paar wacher grüner Augen, die für einen Mann in seinen Jahren und in seiner Stellung eigenartig schelmenhaft in die Welt blickten.
    Der Ganji informierte seine Gäste, daß ihnen zu Ehren am Abend ein Festessen in der Weltenhalle stattfand. Er verstand, daß sie am nächsten Tag weiter mußten, und er hoffte, ihren Besuch auf diese Weise erinnernswert zu gestalten.
     
    Die Weltenhalle erhob sich zwar nicht über die Baumwipfel, doch sie war trotzdem ein beeindruckendes Bauwerk. Sie war verwinkelt, aus Mauerwerk und Baumstämmen errichtet, und sie nahm den gesamten südlichen Teil des Weilers ein. Das Innere bestand aus einem einzigen Saal, einem Versammlungsraum, in dem alle Oriki Platz finden konnten. An den Wänden gab es mehrere Feuerstellen, und Reihen von Tischen und Bänken zogen sich wie in einem Amphitheater von einer tiefer gelegenen Mitte aus nach oben. Waffen, Tierhäute, Trommeln und Teppiche bedeckten jeden Quadratzoll Wand. Der Boden war mit Webmatten ausgelegt. Im hinteren Teil der Halle zog sich eine Galerie über die gesamte Breite. Es gab keine Fenster, die Tageslicht hereingelassen hätten. Statt dessen brannten zahlreiche Fackeln an den Wänden, und auf den Tischen standen Kerzen. Für Chaka, die einen relativ eleganten architektonischen Stil und das stille, geordnete öffentliche Leben Illyriens gewöhnt war, besaß die Halle eine barbarische Ausstrahlung. Trotz Shannons Zusicherungen war sie beunruhigt und wußte nicht, was sie von der Sache halten sollte.
    Inzwischen hatte sich eine beträchtliche Menschenmenge eingefunden. Gut zweihundert Orikis warteten, während Chaka und ihre Begleiter unter rhythmischem Trommelschlagen durch die Halle zum Tisch in der Mitte geleitet wurden. Ein Sprechgesang setzte ein, und die Menschen schlugen mit den Händen auf die Tische und kicherten.
    »Sie wollen uns lediglich eine glückliche Reise wünschen«, versicherte Shannon ihr.
    Chaka gefiel die Aufmerksamkeit, die ihnen zuteil wurde, doch sie schaffte es nicht, das Gefühl abzuschütteln, daß ihre Gastgeber sie irgendwie herablassend behandelten.
    »Sicher«, sagte Shannon. »Sie fühlen sich uns tatsächlich überlegen. Sie denken, wir wären dekadent und an ein Leben in Luxus gewöhnt.«
    Mori begleitete sie die langen Stufen hinab, die zur Mitte der Versammlungshalle führten, und brachte sie zu dem großen runden Tisch genau im Zentrum. Der Tisch war mit Blumen und Fähnchen und Wimpeln geschmückt. »Der Ganji persönlich wird euch beim Essen Gesellschaft leisten«, sagte er. Augenblicklich eilten Kellner herbei und füllten ihre Becher mit Wein.
    Sie hatten sich kaum gesetzt, als der Rhythmus der Trommeln sich änderte. Er wurde langsamer, fast getragen, und Pfeifen und Flöten stimmten ein. Die Menge verstummte, und alles erhob sich von den Plätzen. Shannon gab seinen Begleitern ein Zeichen, und sie standen ebenfalls auf.
    Ihren Gastgebern gleich verneigten sie sich, und der Ganji kam aus dem rückwärtigen Teil der Versammlungshalle. Er schritt langsam durch den Gang zur Mitte hinunter und blieb hier und da stehen, um eine Hand zu schütteln oder mit einem seiner Untertanen zu flüstern, und sein Gebaren erinnerte verblüffend an die neuartige Sorte von Politikern, die die Republik hervorgebracht hatte.
    Als er an dem Tisch angekommen war, begrüßte er seine Gäste der Reihe nach, verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, daß ihnen das Essen schmecken würde, und sicherte ihnen zu, daß der Wein der beste sei, den sein Clan auftreiben konnte. Er versprach ihnen, daß sie das Unterhaltungsprogramm genießen würden. Chaka war überrascht, daß er sich an ihre Namen erinnern konnte, aber sie fragte sich auch, wie ein Mann von so profanem Auftreten diesen Stamm effektiv führen konnte. Doch als die Halle schließlich gefüllt war und der Ganji sich erhob und zu seinem Volk sprach, da wußte sie den Grund.

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