Die ewige Straße
Eins am westlichen, eins am östlichen Ende der Esplanade. »Ich werde euch sagen, was ich denke, doch es ergibt keinen Sinn. Die Kreuze markieren ein Rechteck. Unter anderen Umständen würde ich sagen, sie zeigen an, daß wir am Ziel angekommen sind. Das hier ist das Ende unserer Reise.«
Sie wechselten unsichere Blicke.
»Und was machen wir jetzt?« erkundigte sich Quait.
Die Frage war mehr oder weniger an Avila gerichtet, als hätte sie automatisch die Stelle von Silas eingenommen. Sie blickte sich suchend auf der Plattform um. Die Sonne stand dicht über dem Horizont und hatte bereits eine leicht rötliche Färbung angenommen. »Jon«, sagte sie schließlich, »bist du sicher, daß es sich um die gleichen Markierungen handelt, denen wir die ganze Zeit über gefolgt sind?«
Shannon nickte. »Sie sehen aus, als stammten sie vom gleichen Messer. Außerdem stammen sämtliche Markierungen, die wir gesehen haben, von einem kleinen Burschen. Ich schätze, Shay war nicht größer als fünfeinhalb Fuß.«
»Das ist richtig«, stimmte Flojian ihm zu.
»Woher wußtest du das?« erkundigte sich Avila.
»Die Markierungen befinden sich allesamt in einer Höhe von fünf Fuß. Augenhöhe.«
»Vielleicht sollten wir später darüber debattieren«, schlug Flojian vor. »Im Augenblick denke ich, daß wir lieber versuchen sollten, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. Ganz gleich, was unser kleiner Freund sagt. Es wird dunkel.«
Shannon und Quait blickten fragend zu Avila.
»Wir wissen nicht, wohin wir gehen sollen«, sagte sie. »Ich erkenne keinen Sinn darin, von hier zu verschwinden.«
»Aber hier spukt es!« rief Chaka.
Avila hatte die ganze Zeit über eine alte Stoffkappe getragen. Jetzt setzte sie die Kappe ab, wischte sich über die Stirn und starrte auf den Fluß hinaus. »Wir wissen nicht, was hier vor sich geht«, sagte sie schließlich. »Und ich schätze, uns bleibt keine andere Wahl, als es herauszufinden. Ich werde hierbleiben und sehen, was geschieht. Wer bei mir bleiben will, ist jederzeit willkommen. Wenn jemand keine Lust dazu verspürt, kann ich es ihm nicht verübeln.« Ihre Stimme klang angespannt.
Lediglich Flojian hatte den Mut, sich zurückzuziehen. »Ihr werdet alle sterben«, sagte er. »Ich hoffe, ihr seid euch darüber im klaren.«
Er nahm eins der Packpferde, ergänzte seine Vorräte mit ein wenig Getreide und setzte sich ohne ein weiteres Wort auf dem Weg zur Brücke hinunter in Bewegung.
Eine halbe Stunde später kehrte er mit der Begründung zurück, daß er seine Freunde nicht im Stich lassen könne. Vielleicht sagte er sogar die Wahrheit. Chaka vermutete insgeheim, daß er die Einsamkeit als noch angsteinflößender empfunden hatte als die Aussicht, der Dämon könnte wieder erscheinen.
Sie führten die Pferde zur anderen Seite des Hügelrückens, wo sie rasteten. Niemand verspürte großen Appetit, und alle pickten nur an ihrer Mahlzeit.
Es war dunkel, als sie fertig waren. Sie löschten das Feuer, überprüften ihre Waffen und kehrten auf den Kamm zurück. Dort gingen sie an einer Stelle in Deckung, von der aus sie die Esplanade übersehen konnten. Hätten sie einen menschlichen Gegner erwartet, würden sie sich verteilt haben, doch so blieben sie dicht beisammen, versteckt hinter einem Haufen Geröll und Buschwerk.
Flojian setzte sich zu Avila. »Ich habe gehört«, begann er zögernd, »daß Dämonen sich nicht an Priestern vergreifen. Besteht vielleicht eine Chance, daß Reisende in Begleitung einer Priesterin ebenfalls verschont werden?«
»Aber selbstverständlich, Flojian«, erwiderte sie. »Fürchte dich nicht.«
Chaka war nicht wohl in ihrer Haut bei dem Gedanken, daß Flojian mit einer geladenen Waffe durch die Dunkelheit stolperte, doch sie konnte nichts daran ändern. Avila, von der Chaka wußte, daß sie gut mit dem Gewehr war, machte sich nicht die Mühe, eine Waffe zu tragen. »Was auch immer es sein mag«, sagte sie zu Chaka, »ich glaube nicht, daß ein Gewehr irgend etwas ausrichten kann. Falls wir tatsächlich Waffen benötigen sollten, dann besitzen wir ganz bestimmt nicht die richtigen.«
Die herrliche Aussicht nach Nordwesten, die sie von der anderen Seite des Flusses genossen hatten, war hier durch Bäume versperrt. Sie würden nur wenig Zeit zum Reagieren haben, falls der überirdische Besucher sich erneut näherte. »Das macht mir Angst«, gestand Chaka gegenüber Quait.
»Ich weiß.« Er hielt sich dicht bei ihr. »Wir haben einiges
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