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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu
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Gespräche der
Erwachsenen während der Abendeinladungen ihrer Eltern belauscht, immer in der
Hoffnung, dass sie etwas erfahren würde, was wirklich wichtig wäre, ein
Geheimnis aus der Erwachsenenwelt, so dass sie endlich verstehen könnte, wie
die Dinge richtig funktionierten? Aber dann schlich sie sich irgendwann
doch mit dem Gefühl ins Bett, dass sie wieder einmal betrogen worden war. Und
immer wieder hatte sie diese Geschichte gehört, so dass sie verwirrt den Kopf
schüttelte und sich verzweifelt fragte, ob hierin das Geheimnis zu finden war,
aber wie konnte das sein? Wie konnte es in Schaumkugeln stecken? Aber doch
schien es so! So oft gehört, so eingebrannt in ihr Gedächtnis, dass sie sie
jetzt auswendig in ihren Nutella-Toast, den sie wegen der aufgeschütteten
Krümel ihres Vaters nicht mehr essen konnte, mit lautlos sich bewegenden Lippen
repetierte, während Herr Weinwurm sie laut zum Besten gab, und Frau Weinwurm
ihren Kaffee schlürfte mit bewunderndem Blick, obgleich sie sich fragte, ob sie
jetzt gleich eine Wäsche anstellen oder zuerst Frau Kraus-Hilfskötter anrufen
sollte?
    »Erster Schultag nach den Ferien,
Ivonne, mach' ihn zu einem vollen Erfolg, mach ihn zu deinem Projekt, schöpf'
ihn aus, bieg' ihn so hin, wie du willst und sonst keiner, denn…«
    … das ist der Basisgedanke! Ivonne
rutschte umständlich von ihrem Stuhl und griff nach ihrer Schultasche, oh weh,
das blöde alte Ding, wann bekam sie endlich eine neue, ohne diese kindischen
Schulterriemen, oder gar einen grünen Benetton-Matrosen-Sack wie Annemie?
    »Geh… dnn… ma...«
    »Hör
auf zu nuscheln, immer gerade heraus, laut und klar, du bist eine stolze
Weinwurm, jemand aus einem guten Stall, von echtem Schrot und Korn, meine Güte,
was ist so schwer daran?«
    Als sich Ivonne gegen den
Hintereingang des Gymnasiums stemmte und zögerlich mit einem Fuß die schwere
Glastür aufschob, hüllte sie sofort der charakteristische Schulgeruch ein,
schwappte ihr entgegen wie ein Flutwelle, eine Drecksmischung aus Lehrermief
und Schülerpups ,und Ivonne hakte ihre Daumen in die Schulterriemen
und schritt flach atmend voran, dem rhythmischen Gesang ihrer Gedanken folgend,
damit der Geruch sie nicht erreichte und sich um ihre Eingeweide wand, dass sie
schnell zur nächsten Toilette flitzen musste in wilder Panik! Lehrermief und
Schülerpups Lehrermief und Schülerpups Lehrermief und Schülerpups, und ich bin
ein stolzer Weinwurm!
    STOLZ! Halbherzig umkreiste sie dies
Wort und ließ es in die Dunkelheit ihres ungenutzten Wortschatzes zurückfallen,
weil sie es lächerlich fand und sinnlos, nicht geeignet, sie gegen die
aufkeimende Angst zu wappnen, denn sie hatte plötzlich einen falschen Atemzug
getan. Jemand hatte offensichtlich die Planwagen an einer Stelle falsch
zusammengeschoben, vermutlich ein dummes Weibsstück, und der Gestank strömte
ungehindert durch ihren Körper und machte aus ihren starken Schenkeln
Wackelpudding und ihr Magen krampfte sich zusammen.
    Ivonne stapfte am Lehrerzimmer
vorbei und sah die vertraute Gestalt des Mathelehrers, den Slipperfuß mit
zierlicher Goldspange über dem Spann auf einen Hocker aufgestützt, als beutelte
er einen erlegten Löwen, mit beiden Händen gestikulierend, so dass er,
vermutete Ivonne, denn nur hierbei wurde er agil und aufgeregt, wieder eine öde
Geschichte von seinem Hausbau zum Besten gab, in das er schon vor zwei Jahren
mit seiner Frau und den Zwillingssöhnen hatte ziehen wollen. Am gelangweilten
Gesicht der Erdkundelehrerin, die mit hochgestülpter Oberlippe in ein
triefendes Quarkbrötchen biss und gleichzeitig in einer Werbebeilage blätterte,
erkannte Ivonne, dass sie die Geschichte wohl schon gehört hatte.
Wahrscheinlich war es die, in der er dem Architekten mal gezeigt hatte, was richtiges Rechnen war. Doch was wäre, dachte Ivonne, wenn sie jetzt hineinstürmte und
verriete, dass sein triefender Blick oft minutenlang auf Susannes blondem
Scheitel ruhte, während er dachte, er sei unbeobachtet und alle arbeiteten brav
an ihrer Textaufgabe? Und was wäre, wenn sie ihm – böse, fies grinsend –
mitteilte, dass Susannes Skalp sich am ledernen Hosenbein von Dog Warrior
ringelte? Wie sein Späner- Gesicht zerfiele und seine Gestalt auf den
grauen Linoleumboden zusammensacken und dort zerkrümeln würde, als hätte jemand
eine Lunte an ihn gelegt und er wäre lodernd verbrannt, und nun war nur noch
hässliche, staubige Asche übrig!
    Der Gedanke tröstete Ivonne ein
wenig, und

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