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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu
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diesem lahmen Ausklang, dieser damenhaften Rüge,
belassen. Ivonne lauerte, hörte es hinter Tereses Stirn klingeln und rattern
wie in einem einarmigen Banditen. Da, oh da! Die Groschen rauschten in den
Schlitz, Ivonne sah es deutlich an einem kleinen Zucken in Tereses Gesicht,
eine winzige Bewegung nur, die ihr fast entgangen wäre.
    »Nimmst du
eigentlich, Schätzchen, das neue Deo, dass ich dir aus der Apotheke mitgebracht
habe?«  
    Diese deutliche
Anspielung auf den Gestank in dem kleinen Dachzimmer fand Ivonne nicht übel.
Zwei Outlaws mit einem einzigen Schuss niedergestreckt, Mama, wie Wyatt Earp!
Erster Treffer, PÄNG: Du stinkst. Zweiter Treffer, PIUIU: Du stinkst aber nicht
nur einfach so wie jeder transpirierende Mensch, sondern man muss dir bereits
als Vierzehnjähriger ein Deo verpassen, das speziell in Apotheken und bei
Badern für Schwerststinker und andere chronisch Kranke unter dem Ladentisch
gehandelt wird.
    »Was mir noch
einfällt. Hast du schon deinen Hunde-Spaziergang gemacht? Wird dir guttun.«
 
    »Ich kann nicht!«,
wimmerte Ivonne und hielt ihre Todeskrallen hoch. »Zwei Outlaws haben mich aus
dem Saloon gezerrt, mit einem Lasso an den Sattelknauf gebunden und sind
losgeritten, oh, so schnell, dass ich hinschlug und durch die staubigen Straßen
geschleift wurde, bis von meinen Händen nichts mehr übrig blieb als dieser
rohe, blutige Matsch! Zerfetzte Schinkenstreifen!«
    Terese legte den Kopf
schief. Sie betrachtete das von Plüschtieren, einer undefinierbar antiken
Häkeldecke und alten Kissen umrahmte Wesen, das ihr bittend die von roten
Schlieren gezeichneten Hände (woher kannte sie nur diesen Rotton?)
entgegenstreckte und das Gesicht zu einer schmerzensreichen Grimasse verzogen
hatte. Wie Schnappschüsse tauchten plötzlich Bilder vor ihr auf: Ein
Teresengesicht, jung, ein Backfisch noch, mit zarten Grübchen in den
Mundwinkeln, die leicht gerötete Wange an die feste Schulter eines
Teresenverehrers aus dem Ruderverein geschmiegt. Weiter: Eine Teresenhand, zart
und klein, geschmückt mit einem allerliebsten Ring, der eine filigrane silberne
Edelweißblüte trug, das devote Präsent eines anderen Teresenverehrers aus der
Tanzstunde. Und weiter: Terese vor ihrem ersten (und einzigen) Ärzteball,
eingeladen von einem Medizinstudenten im dritten Semester, aus sehr gutem
Hause, der sie in einem Coupé (und wer hatte damals in diesem Alter ein Auto,
geschweige denn einen flotten Sportwagen?) von zu Hause abgeholt hatte und
zärtlich ihren rosafarbenen Petticoat auf der Beifahrerseite ins Auto stopfte,
denn sie hatte den mehrlagigen Rock extra für diesen Anlass selbst genäht und
er plusterte sich nach allen Seiten und wippte wie ein kurzes Sissi-Kleid.
    Terese stockte und
zwinkerte.
    Was war eigentlich
passiert?
    Warum lag dieses
wächserne, gigantische Mädchen hier auf dem Bett, warum hatte sie den Medizinstudenten
nicht geheiratet, denn wenn einer Medizin studierte, war dann nicht gesichert,
dass man gesunde, normale Kinder auf die Welt brachte, winzige, feingliedrige
Geschöpfe, die eines Tages im schwingenden Rock hinaustanzen wollten in die
Welt, in den starken Armen eines gutaussehenden Jünglings?
    »Ich habe mir die
Hände an der doofen Hundeleine aufgeschürft, alles nur noch rohes Fleisch!«,
probierte Ivonne es erneut und schnitt eine Grimasse, von der sie selbst nicht
sagen konnte, was sie bei Terese auslösen sollte.
    Aber an Tereses
abwesendem, starrem Gesicht erkannte Ivonne: Nichts da! Keine Fisimatenten,
keine Möglichkeit der Nachmittagsgestaltung, sondern ein Befehl, denn
Terese wollte alleine im Haus sein und, was noch bedeutender war, die Hundeidee
war eine weitere Vision ihres Vaters im Schaumbad gewesen und musste deshalb
umgesetzt werden, ohne jede Ausweichmöglichkeit. Denn kaum waren sie aus
Südfrankreich zurückgekehrt, hatte sich Herr Weinwurm in das Badezimmer
zurückgezogen und den Wasserhahn aufgedreht. Aus dem mannshohen, eigens
gefertigten Badezusatz-Regal wählte er entspannende Melissen-Ölwürfel, in denen
winzige Mönche mit gesenkten Köpfen durch den Kreuzgang schritten, bis das
Badewasser sie packte, langsam auflöste und ertränkte. Und was lachte er jedes
Mal laut, wenn er zusah und an die Verkaufszahlen dachte, die seine Schöpfung
eingefahren hatte!
    Schwung und
Bewegung brauchte
das Mädchen, und wenn sie schon nicht zum Aerobic wollte, sich um Nachfragen
herumwand wie ein Aal, dann mussten eben andere Mittel und Wege her, die sie
aus ihrer

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