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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu
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deinem Stiefvater
gelandet ist?«
    »Na, überleg mal!
Kein Geld, keinen Beruf, drei Blagen!« Lilianes lebensweiser Blick streifte
Ivonne nachsichtig. »Außerdem schleudert sie ihm das immer entgegen, wenn die
beiden streiten – Hätt ich doch nur gewartet, hätte ich doch bloß nichts
überstürzt damals wie Thorsten seine Gitarre packte und wegging und ich dachte,
ich schaff es nicht alleine! – das sagt sie dann immer! Thorsten ist mein
Vater, übrigens.«
    »Aber wenn dein
Stiefvater nicht mehr da wäre, wenn wir wirklich was schlimmes in seinem Zimmer
finden!« Ivonne schluckte nervös. »Wer sagt dir dann, dass sie sich nicht bei
erstbester Gelegenheit wieder so einen Hubert ins Haus holt, noch bevor du deine
Koffer gepackt hast und abgehauen bist?«
    » Bevor ich
meine Koffer gepackt habe? Das geht nicht!«
    »Warum nicht?«
    »Meine Koffer sind
schon seit langem gepackt. Ich muss nur noch irgendwie den Knilch loswerden.
Und deshalb gehen wir jetzt los!«
    Vorsichtig,
um die Brüder nicht zu wecken, tapsten sie auf Wollsocken in ihren
Frotteeschlafanzügen und mit einer kleinen Taschenlampe bewaffnet über die
steilen, dunklen Treppen in das oberste Stockwerk des schmalen Hauses. Hier
oben befanden sich nur Hubert Piskunovs Zimmer und das elterliche Schlafzimmer
sowie ein winziges Bad. Der Strahl der Taschenlampe beleuchtete die Tür zu dem
verbotenen Zimmer und Ivonne deutete mit einem nervösen Kichern auf einen
Maschine geschriebenen, schwarzumrandeten Zettel:
    HERRENZIMMER!!
EINTRITT ERST NACH VORHERIGER ANMELDUNG bei
H. F. Piskunov
    »Was bedeutet das F Punkt?«
    »Friedrich.«,
flüsterte Liliane gepresst als könnte Hubert Piskunov bei der bloßen Nennung seines
Namens wie ein Flaschengeist am Treppenabsatz auftauchen. »Eigentlich
Friedrich, aber den Namen benutzt er nie, außer... außer manchmal muss Mutti
ihn Frederico nennen... dann haben sie ihren »spanischen Abend«... und er
spielt dann einen... wie soll ich das sagen? Naja, einen wilden, gefährlichen
Mann, so wie die Konquistadoren in unserem Geschichtsbuch, oder so... und Mami
muss dann alles tun was er sagt.
    »Was denn?«
    »Na, zum Beispiel ihm
sein Bier auf einem Tablett bringen, auf Knien rutschend, oder nur in Unterhose
kochen und dabei das Fenster aufhaben, im Winter. So was eben.«
    »Wow!«, flüsterte
Ivonne und presste sich gegen Lilianes Rücken, um nur nicht den Augenblick zu
verpassen, in dem die Tür mit einem Quietschen aufsprang und ihr Einblick in
Hubert Piskunovs Welt des Grauens bot. Vorsichtig drückte Liliane die Klinke
herunter und atmete erleichtert auf.
    »Er hat nicht
abgeschlossen, der Trottel! Er hat geglaubt, sein blödes Warnschild würde mir
reichen!«
    Hatte es ja auch bis
jetzt, überlegte Ivonne und ihre Wangen glühten, denn war es nicht so, war es
nicht ganz offensichtlich so, dass erst durch ihren Beistand, durch ihr Zutun
Lilianes Mut und Durchtriebenheit gewachsen war?
    Sie sogen hörbar die
Luft ein, als sich die Tür langsam öffnete und ihnen ein Schwall abgestandener
Mief, eine Mischung aus Pfeifentabak, süßlichem After Shave und muffigem
Teppich, entgegenkam.
    Einen Moment
verharrten sie und warteten, dass etwas passierte. Kein Alarm, keine
Selbstschussanlage, kein rasselnder Schlüssel in der Haustür weit unter ihnen?
    Nichts geschah, im
Haus blieb es still.
    »Können wir nicht
Licht machen?«, raunte Ivonne, obwohl sie niemand hören konnte. Die Jungen
schliefen friedlich zwei Stockwerke tiefer.
    »Und wenn sie früher
zurückkommen? Man kann das Licht von der Straße aus sehen und dann möchte ich
mir gar nicht ausmalen, was mir blüht... naja, aber andererseits... wir wollen
ja was finden.«
    Liliane legte
vorsichtig den Lichtschalter um. Schwere Schränke und Regale standen dich
aneinandergedrängt an jeder Wand, der Raum schien zu ächzen, erdrückt von der
Fülle des dunkelbraunen Mobiliars und von den Gegenständen, die sich überall
stapelten und gegeneinander lehnten.
    »Ist es denn die
Möglichkeit!« Liliane verschlug es die Sprache.
    Der Boden war bedeckt
mit quer übereinanderliegenden Teppichen, als hätte Hubert Piskunov sie einfach
ohne Beachtung hingeschmissen, Läufer, Bettvorleger und Badematten, die jeden
Laut beim Auftreten verschluckten. Es gab einen großen Sekretär mit etlichen
Schubfächern, ein kleines grünes Plüschsofa, auf dem eine sorgfältig gefaltete
Karodecke lag, ein zusammenklappbares Feldbett, zwei schwere, genoppte
Lederohrensessel, die neben einem

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