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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu
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ihren Zähnen und unter der Zunge, und sie prustete und
pustete Blasen, die ihr auf der Nase zerplatzten und auf Wangen und Kinn – und
sogar an ihren Wimpern! – festklebten, so dass sie fast ihre gute Ferienlaune
wiedergewann.
    »Nun aber an die
Arbeit!«, spornte sie sich an und schlenderte gemächlich an den Schaufenstern
entlang, betrachtete die Menschenmenge um sich herum unter halb geschlossenen
Lidern wie ihr Daddy , wenn er die breite Hauptstraße hinunterschritt,
alleine, keine Bewegung außer rollenden Staubhexen, doch da!, er sah jedes
Ruckeln von Gardinen, jeden aufblitzenden Gewehrlauf von feigen Bandoleros, die
sich auf Dächern hinter Holzfassaden verschanzten. Und diese Weiber, dachte
Frau Weinwurm grimmig, verschanzten sich nicht einmal, da kam schon wieder eine
angewackelt, was war das für ein Tier, sie kannte dies hellbraun-weiß gescheckte
Fell nicht, aber es hatte mächtig viele Schwänze, die vom Revers baumelten,
und, so vermutete Frau Weinwurm, auch hier hatte wohl die gesamte Großfamilie
dran glauben müssen!
    Der Pelz lag offen
über den eleganten Schultern der Frau, sie stöckelte sorglos über die Straße
und bog in die Kö-Galerie ein, in ihrer Armbeuge baumelten Goldpfeil- und
Douglastüten und ein winziges Handtäschchen. Sie blieb vor einem puristischen,
schwarz-weißen Designer-Laden stehen und studierte die Auslage, in der sich ein
einziger heller Zopfpulli befand, dessen Ärmel über einem Stück Rinde lagen, so
als hätte eine Leiche auf dem Waldboden gelegen und man hätte den leblosen
Körper aus dem Pulli gezogen, ohne diesen zu bewegen. Wie eine Art
Pulli-Mikado, dachte Frau Weinwurm, die sich von hinten angepirscht und neben
die Pelzdame gestellt hatte. Sie legte den Kopf schief und studierte die
riesige weiße Fläche der Auslage, auf der sich nichts befand.
    »Kein Preisschild,
die werden schon wissen warum. Ob die wohl auch meine Größe haben?«
    Augenbrauen und
Mundwinkel der Pelzfrau zuckten und ihre lederbehandschuhte Hand schnellte
automatisch hervor, als wolle sie eine lästige Fliege vertreiben, ein Tick, der
sie auch jedes Mal überkam, wenn sie gezwungen war, mit anderen Menschen die
Straßenbahn zu teilen oder die S-Bahn - in der es zumindest Erste-Klasse-Wagen
gab! - zu benutzen, wenn Sohn Carl-Philipp mal wieder ihren kleinen
Rauscheporsche zu Schrott gefahren hatte. Sie musterte die Frau mit einem
schnellen, geübten Blick und verdrehte die Augen, was, wie Frau Weinwurm
interessiert bemerkte, aussah, als ob zwei Murmeln in einem lila Schälchen mit
weißem Grund ausrollten, aber woher sollte sie, Frau Weinwurm denn auch wissen,
ob es nicht modisch war und unbedingt in dieser Frühlingsaison zu beachten,
violetten Lidschatten großflächig um die Augen zu verteilen, als hätten beide
Klitschkos einmal rechts und einmal links zugeschlagen? Frau Weinwurm starrte
auf die Veilchen und entschied, dass der violette Hubba-Bubba genau richtig war.
    Meine Güte, konnte
die Stadt denn nichts tun, dass solche Gestalten, behindert vermutlich, das sah
man diesem teigigen Albinogesicht und den hellen, glanzlosen Augen doch sofort
an, solche merkwürdigen Kreaturen nicht in die Innenstadt gelassen wurden, und
wenn sie schon dabei war, bitte auch nicht nach Oberkassel, wo ihr Mann Horst
gerade diese entzückende Maisonette-Wohnung sanieren ließ. Da war es nun
wirklich nicht nötig, dass genannte Gestalten mit ihren riesigen,
proportionslosen Körpern und baumelnden Armen wie Zombies durch die Straßen
strichen und wer weiß was anrichteten! Sie strich sich das asymmetrisch
geschnittene, blutrot schimmernde Haar hinter die Ohren und wandte sich wortlos
ab, stöckelte weiter und ihre Schritte hallten in der Galerie. Frau Weinwurm
grinste zufrieden und wischte sich die Finger an ihrem Glockenrock ab. Ein
violetter Kaugummibatz schillerte auf dem Pelzrücken und sie machte einen
artigen Knicks, als sie brausenden Applaus hörte, von dort oben, ganz hinten,
aus den billigeren Rängen, wo die unbekannte Tierfamilie mit dem hellbraun-weiß
gestreiftem Fell und den niedlichen schwarzen Punkten saß und nun platschten
ihre Pfoten in wildem Applaus zusammen und einer öffnete sein zartes, kleines
Maul und stieß ein wildes Siegesgeheul wie ein echter Wolf aus! Die Tiere in
den vorderen Rängen klatschten ebenfalls höflich, die edlen schwarzen Panter,
die Ozelots, die huschenden Zobel, die Nerze, die anständig und distinguiert
warteten, dass Frau Weinwurm auch für sie die Show

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