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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu
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zwischen den Fingern drehen und sie ganz genau fixieren, jede
Regung, jedes nervöse Zucken ihrer Lider!
    »Quincy,
Columbo!«, höhnte Liliane und stieß ein schauerliches Gelächter aus. »Hör doch
endlich auf, in deinen Filmen zu leben! Kannst du denn nur noch in Zelluloid
denken, ist es nicht möglich, dass du zur Abwechslung mal deinen Verstand
benutzt? Das ist doch ein gigantischer Vorteil, unser Alter – gerade weil wir
so jung sind, sind wir nicht so verdächtig, umso mehr, je eher es nach einem
Unfall aussieht: Besser noch – es wird ein Unfall sein !«
    Ivonne
schwieg und sah aus dem Fenster in den nasskalten Graupelregen. Jetzt war es
also ausgesprochen und weder Liliane noch sie konnten es zurücknehmen,
ungeschehen machen, und ein schwerer Stein rollte sich auf ihre Brust und blieb
dort liegen. Lilianes Zorn war verraucht, sie saß erschöpft wie nach einem
langen Lauf in ihrem Sessel und presste ein altes Elefantenstofftier, mit
dessen zerfledderten Ohren sie spielte, auf ihren Bauch.
    »Ich
habe mir jahrelang gewünscht, es würde einfach so einen Unfall geben, mein
Gott, es passiert doch täglich so viel, warum sollte ausgerechnet so ein Ekel
verschont bleiben – mir erschien das nie logisch oder gerecht, aber was soll’s
mit der Gerechtigkeit? Es gibt keine, auch keine Logik, sonst wäre mein lieber
Herr Stiefvater schon längst von einem Bulldozer plattgewalzt. Und wie lange,
meinst du, soll ich noch warten? Bis er mich mal in Rage die Treppe
runterschmeißt? Oder Martin, weil er vielleicht wirklich ein ‚warmer Bruder’
ist? NEIN!« Liliane schüttelte heftig den Kopf und zerrte an den
Elefantenohren. »Ich habe lange genug gewartet und auf irgendwen oder irgendwas
vertraut und gar nichts ist passiert – hörst du mir zu? Es gibt Situationen, in
denen...« Liliane beugte sich vor und drückte den Elefanten gegen ihre
schmerzenden Rippen, »... in denen man das Gesetz selbst in die Hand nehmen,
für Gerechtigkeit sorgen muss. Ist es nicht genau das, was dein Daddy immer
predigt und auch tut? Bevor Hubbsi mich die Treppe runterschmeißt, fällt er
selbst hinunter!«
    Ivonne
nickte, langsam. Er fällt. Sie sagt, er fällt, überlegte sie. Er würde also
nicht gestoßen, niemand stellte ihm ein Bein, es geschähe alles von ganz
alleine, vielleicht wäre es einfach die gerechte Sache, die ihm einen kleinen
Schubs verpasst? Die Kindergartentaschen, so hübsch, niedlich, mit kleinen
Kätzchen vorne drauf, und es war doch undenkbar, dass Taschen Mörder sein
können? Oder gar Mädchen, die vorsichtig in ihren Tee pusteten, damit die
filigranen Porzelanschälchen nicht litten? Oder pustete sie deshalb so langsam,
so bedächtig, damit der Tomahawk auf ihrem Rücken nicht verrutschte? Aber
Hubert Piskunov mit der erhobenen Faust, er fiele doch ganz von selbst und kein
Tomahawk splitterte an seinem Rückgrat! Die Mädchen hätten damit nichts zu tun,
letztendlich, er plumpste einfach unten auf den Betonboden auf und Liliane
würde endlich erlöst, blühte auf, könnte ein glückliches Leben in Berlin bei
ihrem Vater führen! Das eine konnte es nicht ohne das andere geben, das eine,
sagte Liliane, konnte es wirklich nicht ohne das andere geben, und manchmal
musste man die Gerechtigkeit selbst herbeiführen, wenn das Schicksal zu lange
zögerte und maulte. Oder nicht?
    Erleichtert
registrierte Ivonne den frühen Einbruch der Dämmerung, das Signal, dass sie
nach Hause gehen musste.
    »Wir
sehen uns morgen zum Training? Oder geht das nicht, wegen deiner... na... du
weißt schon... tut es weh?«
    »Klar
tut es weh, aber wir sehen uns trotzdem; wenn wir jetzt anfangen zu schlusen,
verlieren wir ganz schnell die Disziplin!«
    »Jawohl,
Herr Major!« Ivonne salutierte spöttisch und sah im selben Moment Hubert
Piskunovs Wehrmachtssoldaten vor sich. Liliane offensichtlich auch, denn sie
winkte müde ab und verabschiedete Ivonne, ohne sie zur Haustür zu begleiten, wo
sie sonst meist noch stundenlang bei jedem Wetter standen und redeten, als
hätten sie sich gerade erst getroffen.
    Ivonne
stürmte hastig hinaus und wäre um ein Haar über Martin gestolpert, der auf den
Stufen zur Haustür saß und an den Schnürsenkeln seiner Wildlederstiefel
nestelte.
    »Ich
krieg sie nicht auf, hab so einen blöden Doppelknoten reingemacht!«  
    Erwartungsvoll
sah er Ivonne an, und Ivonne hangelte sich ergeben am Geländer hinunter, da
sich die Stufen durch den Eisregen in eine spiegelglatte Fläche

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