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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu
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alles
bleibt wie ich bestimmt habe. Du spielst Hubert P.!«
    Für
die erste Probe suchten Liliane und Ivonne sich einen Nachmittag Ende Januar
aus. Bei Piskunovs war niemand außer Liliane zu Hause. Liliane begutachtete die
helle Nylonschnur, die Ivonne aus Tereses Nähkörbchen geklaut hatte, zog und
riss, biss und nagte wie Eleonore an einem Knochen. Nachdenklich schüttelte sie
den Kopf, murmelte vor sich hin, hüstelte, flocht Knoten, spannte die Schnur
zwischen ihren Fingern und ließ ihren Blick langsam daran entlanggleiten.
    »O.k.,
gut gemacht, Komplize!«
    Angetan
mit zwei dicken Sofakissen, - halt fest, halt fest, es rutscht! - die
Liliane auf Ivonnes Rücken und Bauch mit zwei aneinander gebunden Gürteln und
einem Springseil fixiert hatte, stakste Ivonne in den Flur und stellte sich an
die Treppe, die in einer leichten Rechtsdrehung nach unten führte. Die schweren
Portieren waren zur Seite gerafft. Ivonne faltete ihre Hände vor dem
Kissenbauch und wartete, bis Liliane die Schnur drei Stufen weiter zwischen den
Streben hindurchgezogen hatte. Ihre Finger arbeiteten geschickt und schnell,
wie eine professionelle Teppichknüpferin wand sie den Faden hin und her, ohne
dass er an Spannung verlor.
    »Kannst
du die Schnur so sehen?«  
    »Klar.«
    »Nein,
nicht so, du Walross! Geh ein paar Schritte zurück, tu so, als ob du Hubbsi
wärst, du hast zwei Bier intus und schimpfst auf die dämlichen Spieler vom VfB Stuttgart
und bist dabei dir auszumalen, was du als Trainer alles anders machen würdest,
diese Pfeifen, diese Nulpen haben ja alle keine Ahnung.«
    »Ich könnte ja tatsächlich zwei Bier trinken, dann wäre es authentischer...?«
    »Schnapsdrossel.
Je nachdem wie es läuft, okay?«  
    »Also
gut.«  
    Ivonne
trat drei Schritte rückwärts, die hölzernen Griffe des Springseils, auf denen
eine hüpfende Pipi Langstrumpf abgebildet war, schlugen munter gegeneinander,
und sie schluckte ihre aufkeimende Angst vor dem bevorstehenden Stunt hinunter.
Sie war ein Profi, sie war mutig, sie war ein echter Freund und immer loyal
genau wie Daddy . Da wirst du jetzt wohl stolz sein, Daddy, nicht?
    »Wollen
wir es so hell lassen?«
    »Ja,
das mit der Glühbirne regele ich kurzfristig. Wenn du bei Helligkeit nicht auf
die Schnur aufmerksam wirst, umso besser, wenn doch, macht‘s auch nichts.«,
erwiderte Liliane. »Seinen Weg zum Bier hat Hubbsi schon oft genug im Dunkeln
gefunden, das wird ihn bestimmt nicht aufhalten, sondern nur kurz irritieren.
Neue Birnen sind nämlich oben in der Küchenschublade und er wird sich sagen,
dass er beim nächsten Biergang eine mitbringen kann.«
    »Du!«
Ivonne war etwas eingefallen und sie ruckte unbehaglich an ihrer
Kissenverpackung. »Du, warum geht er denn jede Flasche einzeln holen? Da muss
er ja dauernd aufspringen und in den Keller rennen, das würde mein Papa während
eines Fußballspiels oder bei Verstehen Sie Spaß? nie machen. Haben wir
da nicht einen Denkfehler gemacht?«
    »Meinst
du, das wäre nicht alles bedacht?«  
    Lilianes
Stimme aus den Tiefen des Kellers klang entnervt und beleidigt als hätte Ivonne
ihr jedwede Kompetenz abgestritten.
    » Normale Biertrinker tun dies vielleicht, aber nicht so ein Psycho wie mein Stiefvater. Treppensteigen
ist sein persönliches Trimm-Dich-Verfahren, sagt er, jeden Tag einhundert
Stufen. Den Tick hatte er schon, als Mutti ihn kennenlernte, und wir in einer
Wohnung im Parterre ohne Keller wohnten. Da hat er dann eine Trittleiter
genommen und ist die drei Stufen rauf und runter, rauf und runter, bis er die
Hundert voll hatte. Jeden Abend. Und bei der Zahl der Stufen hier im Haus kann
er schon mal vier, fünf Mal in den Keller stiefeln. Außerdem sagt er, es wäre
kein gutes Beispiel für die Jungs, wenn sich zu viel Alkohol im Kühlschrank
befände. Und weißt du, was ich noch glaube?«
    »Was?«
 
    »Ich
glaube, er schleicht hier auch so gerne rum, weil er hofft, er könne mich mal
im Nachthemd auf dem Flur treffen... du verstehst?«
    Ivonne
legte den Kopf schief und dachte nach, doch sie verstand nicht.
    »Aber
du hast doch nur… Schlafanzüge...? Was für ein Nachthemd?«
    »Vergiss
es einfach, du Wal-Kalb.«  
    Liliane
erschien am Treppenabsatz und vergewisserte sich, ob die Kissen straff vertäut
waren.
    »Vergiss
es. So, pass auf, es kann losgehen.«
    Ivonne
marschierte zielstrebig los und setzte ihr gesamtes schauspielerisches Können
ein. Pfeifend und kopfwackelnd lief sie den Flur hinunter, streckte die Hand
nach

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