Die Ewigen
Shara, und ich sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein.
Meinte sie das ernst? Hatte Drake ihr doch einen Floh ins Ohr gesetzt, hatte er doch ein wenig Misstrauen in der Prinzessin gesät? Andererseits - irgendeine Quelle musste er haben, denn Hellsehen stand nicht auf der Liste der körperlichen Optimierungen, die mit der Narbe auf der Brust einhergingen - auch nicht mit einem Großmeisterkreuz, denn sonst wären Andreas und Ciaran zweifellos den kleineren und größeren Regelverstößen meinerseits viel schneller auf die Spur gekommen.
Ciaran setzte zu einer Antwort an, doch Shara hob die Hand, allerdings eher besänftigend als befehlend.
"Wenn er morgen verschwindet, kehrt ihr zu eurem üblichen Alltag zurück und ich werde keine Einschränkungen in meiner Bewegungsfreiheit mehr akzeptieren. Geht er nicht, müssen wir eine Lösung finden."
Shara Morgens um halb sechs piepte mein Handy: Jackson und Magnus waren zurück, und Jackson wollte wissen, ob ich schon wach war. Ich zog mir einen Morgenmantel über und lief zu seinem Zimmer. Als ich eintrat, wusch er sich im Bad das Gesicht und sah müde aus: Seine Haare waren verwuschelt, als habe er sie die halbe Nacht gerauft, leichte Schatten lagen unter seinen sonst so strahlenden Augen.
"Drake ist weg", rief Jackson zu mir heraus. "Er ist um fünf abgefahren, Richtung Süden. Lucia und Sven folgen ihm."
Ich zog fröstelnd den Bademantel um mich, als er mit dem Handtuch über der Schulter aus dem Bad kam.
"Gehst du schlafen?", fragte ich ihn, er setzte sich auf das Bett und strich sich mit beiden Händen die Haare zurück.
"Ja, ich muss wohl."
Ich kletterte an ihm vorbei und zog die Decke über mich. "Komm, leg dich hin. Ich erzähle dir von meinem völlig langweiligen Abend, dann schläfst du garantiert schnell ein."
Er lachte, zog die Vorhänge zu, brachte sein Handtuch zurück ins Badezimmer und schlüpfte dann zu mir unter die Decke.
"Okay. Was hast du gemacht, während ich stundenlang Magnus geistreichen Analysen von Drakes weisen Worten lauschen durfte?"
"Ich habe alle italienischen Begriffe für die Gemüsesorten gelernt, die für Ciaran unbedingt in eine Minestrone gehören - und das waren verdammt viele. Während des Essens ist mir beinahe schlecht geworden, weil Andreas unbedingt Joseph, Lucia und Pablo in aller Ausführlichkeit von meinen Abenteuern im Krankenhaus erzählen musste. Dann habe ich zwei Stunden mit deinem Latein-Wörterbuch gebraucht, um diese eine Seite über Maggie zu entziffern - du hattest Recht, sie ist wirklich unglaublich. Dass Andreas ihr keine doppelte und dreifache Bewährungszeit aufgebrummt hat, ist fast ein Wunder."
Ich spürte Jacksons leises Lachen an der Bewegung seiner Brust und legte die Hand auf seine Narbe. Seine Haut kribbelte ein klein wenig unter meinen Fingern - Tribut an die durchwachte Nacht, den ich ihm gern erleichterte: Ich drückte meine Lippen auf seine Haut, und genoss die unvermeidliche, aber durchaus nicht unangenehme Taubheit. Ja, ich hatte auch über Maggie gelacht, als ich ihre Geschichte gelesen hatte, aber andererseits war sie wohl die einzige, die über den Orden gestolpert war, ohne dass der davon etwas mitbekommen hatte: Anfang der Achtziger Jahre war sie beim erfolgreichen Versuch, in das digitale Datennetz einer italienischen Bank einzudringen, über die wohlgefüllten Konten des Ordens gestolpert. Etwas hatte ihr Interesse geweckt - das Geld selbst dürfte es nicht gewesen sein, denn das hatte sie nicht angerührt. Sie hatte weiter gewühlt und war auf Konten gestoßen, die seit Jahrhunderten existierten - und auf Namen, die seit Jahrhunderten existierten. Eines Tages hatte sie dann vor dem Burgtor gestanden, Aufzeichnungen über die uralten Kontenbewegungen in der einen Hand, den Koffer mit ihrer weltlichen Habe in der anderen. Sie war genau sechs Wochen später aufgenommen worden, und seit dem Tag ihres Eintrittes war das Verwischen der digitalen Spuren des Ordens ihre Hauptaufgabe.
"Und dann?", fragte Jackson in Bezug auf meinen Abend, ich konzentrierte mich auf das Hier und Jetzt.
"Dann hat Andreas mir den Keller der Burg gezeigt. Wir sind in diese Höhlen herunter gestiegen, von denen du mir erzählt hast."
Ich erinnerte mich an die unerwartet hohen Räume mit ihren unregelmäßigen, steinernen Wänden: hallend und kühl, leer und weitläufig. Keine Spur mehr von den Pritschen und Öfen, von denen Jackson mir berichtet hatte, keine Spur mehr davon, dass hier Menschen in Zeiten
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