Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ewigen

Die Ewigen

Titel: Die Ewigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
Vom Netzwerk:
dass ich bei allem nur an sie dachte? Dass sogar der Tod eines Freundes meine Gedanken zu ihr abschweifen ließ, dass ich nach einem kurzen, schmerzhaften Erinnern an Jo sofort an eine Szene mit ihr dachte? Oder war das nur ein Schutz - vor der Trauer, vor der Frage nach dem Sinn des Ganzen? Vielleicht sollte ich mich mal bei jemandem auf die Psychocouch legen und mit meine Shara-Manie schriftlich geben lassen? Es fällt mir schwer, das hier jetzt niederzuschreiben, das hier jetzt zuzugeben, aber als ich Jos lange Zöpfe auf dem Kopfkissen gesehen hatte, war mir eine ganz bestimmte, noch nicht lang zurückliegende Szene eingefallen - und ich hatte in diesem Moment doch tatsächlich nur daran gedacht, wie blind ich für all die kleinen Anzeichen gewesen war, die die Hochzeit von Shara und Jack angekündigt hatten.
    Vielleicht zwei oder drei Tage vor Jacks Geburtstag war ich in der Waschküche gewesen und hatte meine Sachen abgeholt. Während ich mir meine frisch gebügelten Hemden möglichst knitterfrei über den Arm legte, hatte ich eine dumpfe, entfernte Vibration gespürt - Donner, hatte ich zuerst gedacht, doch dafür war sie bei genauerem Hinhören zu rhythmisch gewesen. Ich war durch die Küche in die Halle gegangen, der grummelnde Lärm hatte sich dort als Musik entpuppt: Sie war von oben gekommen und hatte die ganze Burg in Schwingungen versetzt. Hiphop, hatte ich vermutet - aber den hörte bei uns nur Jo und das auch nur auf Kopfhörer, seitdem Andreas ihm mit einem Jahr Verbannung gedroht hatte, als ein nur aus Schimpfwörtern bestehender, eher gebrüllter denn gesungener Text aus seinem Zimmer geschallt war und einer wie angewachsen im Flur stehenden Lucia die Schamesröte ins Gesicht getrieben hatte. Ich war dem erneuten Gewummer die Treppe hoch gefolgt - Sharas Zimmer, keine Frage. Jack war heraus gekommen, und als er mit dem Handy in der Hand und einem seltsamen Lächeln an mir vorbei gegangen war, hatte ich angesichts der dröhnenden Bässe nur mit Mühe verstehen können, was er gesagt hatte: 'Drum prüfe, wer sich ewig bindet' war es gewesen. Ich hatte über seine Worte gelacht, aber nicht nachgedacht - eigene Blödheit, Teil Eins. Jack war die Treppe hinunter gelaufen, um unten in Ruhe telefonieren zu können, ich hatte an Sharas Tür geklopft. Der Bass hatte weiter gewummert, ich noch mal geklopft - und nach dem dritten Versuch war ich einfach rein gegangen, Hausregeln hin oder her. Ich war in eine sehr surrealistische Szene gekommen: Eine sehr wütende Stimme schrie einen äußerst bösartigen Text aus dem Lautsprecher, dazu hatte Jo mit Shara mitten im Wohnzimmer eine Art Walzer getanzt - schneller als die Paare beim Opernball, aber nicht weniger elegant. Anders als beim Laufen hatte Shara dabei keinen Knoten in ihren Spargelbeinen gehabt, sondern war Jos Schritten mit großer Grazie gefolgt. Seine Hand hatte sehr tief auf ihrem Rücken gelegen, ihr weites Sommerkleid und Jos lange Zöpfe waren hinter ihnen her gewirbelt, beide waren barfuß und hatten gelacht, als nähmen sie ihre kleine Einlage selber nicht ganz ernst. Wäre Jack nicht mit einem Lächeln gegangen und hätte nicht Josie auf dem Sofa gesessen und die beiden mit begeistert glänzenden Augen verfolgt, hätte ich Jo von Shara weg gerissen: Er hatte sie an sich gedrückt, als ... als ... als würden sie eben einen blöden Walzer tanzen, hatte ich ebenso resigniert wie realistisch erkannt und mich auf einen Barhocker gesetzt, um ihnen zuzusehen. Das Lied war mit ein paar sehr heftigen Bässen und einer kleinen Klavier-Klimperei verklungen, Jo hatte Shara in zwei, drei Pirouetten ausdrehen lassen, ich hatte geklatscht, Josie gejohlt, Shara und Jo sich wie ein Profi-Tänzerpaar verbeugt.
    "Sehr schön", hatte Josie gesagt und war mit einer Mappe im Arm wieder aufgestanden, "allerdings sollten wir an der Musik noch mal was ändern, das ist dem Anlass wenig angemessen."
    Jo hatte mich fragend angesehen, ich mit den Schultern gezuckt und Shara hatte gesagt, sie werde gar nicht tanzen, dazu habe sie nie 'Ja' gesagt - eigene Blödheit, Teil Zwei

    Als ich jetzt an Jacks Zimmer vorbei zu meiner Tür ging, war mir so schwer ums Herz wie schon lange nicht mehr. Ich lauschte kurz auf einen Laut aus dem Raum nebenan, doch ich hörte nur gedämpfte Schritte und leises Murmeln. Konnte man in einem Haus voller Menschen, voller Freunde einsam sein? Ja, antwortete ich mir, konnte man - und wo ich mich nach Gesellschaft sehnte, wünschten sich Shara und

Weitere Kostenlose Bücher