Die Ewigen
zurück?"
Andreas schaute auf seine Armbanduhr. Es war kurz nach sechs Uhr morgens - schon wieder eine kurze Nacht, aber es gab noch einiges zu tun.
"Seit etwa zwei Uhr heute Nacht. Die Übergabe hat geklappt wie geplant."
Die grausige Übergabe, ergänzte ich ihn in Gedanken: Ciaran und Peter waren mit Josephs Leiche aus Rom nach Norden gefahren, Sven und Pablo von der Burg mit dem Dolch nach Süden. Sie hatten sich auf einem einsamen Feldweg neben der Autobahn getroffen, wo der Sarg gegen den Dolch ausgetauscht worden war. Ich war erleichtert, dass Joseph nun in der Burg war und dort in der kühlen Kapelle auf seine Beerdigung warten konnte - in diesem vor Schritten und Stimmen summenden Haus in Rom war für seine totale, seine tödliche Ruhe kein würdiger Platz. Ciaran hatte am Abend aufbrechen wollen, um die Strecke von Rom bis zur Burg und zurück in einer Nacht schaffen zu können, ich hatte vorgeschlagen, dass Sven und Pablo ihm entgegen kamen, was die ganze Aktion auf fünf Stunden statt zehn oder mehr verkürzt hatte. Wir brauchten den Dolch heute für Giuseppe - und mir graute schon jetzt davor, dieses Ding in der düsteren Schwertkirche in die Hand nehmen zu müssen.
Magnus
Um Viertel nach acht am Morgen betraten Jack und ich das Zimmer des Priesters und baten ihn betont höflich, uns zu folgen. Wir führten ihn durch das leere Haus hinaus in den Hof, ich setzte mich mit ihm auf die Rückbank des Autos und Jack fuhr los.
Wir sprachen kein Wort, die zwei, drei drängenden Fragen des Priesters nach dem Wohin und Warum ließen wir unbeachtet. Er kniff die Augen zusammen, als er nach mehreren Wochen das erste Mal wieder ans Tageslicht kam, sein Gesichtsausdruck schwankte zwischen Hoffnung und Angst: Hoffnung auf Freiheit, vermutete ich, Angst vor namenlosen Dingen, die ich mir nicht vorstellen konnte, er aber sicher um so farbenfroher. Wir brauchten etwa zwanzig Minuten bis zur Kirche, und als ich auf dem kleinen Hof dahinter ausstieg und Giuseppe am Arm aus dem Auto zog, wurde mir bewusst, dass ich dieses Bauwerk das letzte Mal betreten hatte, als Shara unerwartet in unser beschauliches Leben gestolpert war. Heute kaum noch vorstellbar, diese ewig lange Shara-lose Zeit, dachte ich - ein Gedanke, dem Jack wahrscheinlich aus ganzem Herzen zugestimmt hätte, der aber angesichts unserer Gesellschaft nicht laut ausgesprochen gehörte. Der Priester wehrte sich ein bisschen, aber seine schmale Gestalt stellte für mich nicht wirklich eine Herausforderung da: Ich drehte ihm eher sanft den Arm auf den Rücken und schob ihn vor mir her, hinein in die kleine Sakristei. Jack verriegelte die Tür zum Hof hinter uns und ging dann in die Kirche voraus, um unsere Ankunft zu melden. Ich ließ den Priester auf einem einzelnen Stuhl Platz nehmen und postierte mich an der Tür zum Hauptschiff der Kirche, behielt ihn im Auge. Bleich war er schon gewesen, als wir sein Zimmer betreten hatten, aber nur wegen der Wochen ohne Sonnenlicht - jetzt war Angst für seine fleckige Haut und die weit aufgerissenen Augen verantwortlich. Ich tat oder sagte nichts, um ihn zu beruhigen oder auch zu beunruhigen: Er sollte aufgeregt sein, aber nicht panisch, das käme dann hoffentlich später. Ich musste nur ein paar Minuten mit Giuseppe in dem kahlen, dämmerigen Raum ausharren, dann erklang das verabredete Rufsignal leise in meinem Ohrhörer. Ich machte eine auffordernde Geste mit der Hand, der Priester stand zögerlich auf. Auf einem wackeligen Tisch lagen Kutten für uns bereit: Ich reichte ihm eine und ließ ihn sein Hemd gegen sie tauschen, zog mir selbst die meine über den Kopf, und öffnete dann die Tür zur Kirche, der Priester ging nach einer weiteren deutlichen Geste leicht schwankend vor mir her. Draußen strahlte die Sonne vom Himmel, doch wie immer wurden ihre warmen Strahlen durch die alten Fenster der Kirche zu einem milchig-staubigen Licht, seltsam zeitlos: Morgen oder Abend, Sonne oder Regen, erstes, zweites oder drittes Jahrtausend - hier waren alle Tage gleich.
Shara
Der Dolch brannte heiß und giftig in meiner Hand, dabei wusste ich doch ganz genau, dass sein goldener Griff eigentlich kühl und angenehm glatt war. Unter dem langen, schwarzen Umhang mit dem blutroten Kreuz vorn wurde mir langsam warm - hoffentlich würde mir kein Schweiß auf die Stirn treten, wäre er doch zu sehr auch verräterisches Zeichen meiner Nervosität, und die musste ich in den kommenden Minuten im Griff haben.
Jackson hatte mir
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